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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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abwartend sitzen.

19.
    D er Brechreiz legte sich nicht, doch ich lernte, ihn zu verbergen. Jeden Morgen übergab ich mich in der Dusche, bis irgendwann der Abfluss verstopfte. Danach duschte ich gar nicht mehr, hastete zum Auto, bevor Grant aufstand, und schob die Schuld auf Renata und den Ansturm von Heiratswilligen in diesem Sommer. Die Übelkeit begleitete mich den ganzen Tag. Der Duft der Blumen verschlimmerte sie noch, während die kalte Kühlkammer Erleichterung brachte. Also hielt ich nachmittags zwischen eisigen Eimern voller Flieder ein Nickerchen.
    Ich weiß nicht, wie lange es so weitergegangen wäre, hätte Renata mich nicht in der Kühlkammer zur Rede gestellt. Die schwere Metalltür fiel mit einem dumpfen Geräusch hinter ihr ins Schloss, und sie stupste mich in der Dunkelheit mit dem Fuß an, bis ich aufwachte.
    »Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, dass du schwanger bist?«, fragte sie.
    Mein Herz schlug gegen seine nussschalenartige Hülle.
Schwanger
. Das Wort schwebte zwischen uns im Raum. Ungewollt. Ich wünschte, es könnte unter der Tür hindurch und in den Körper einer anderen Frau hineinschlüpfen, die sich darüber freuen würde. Unzählige Frauen träumten davon, Mutter zu werden. Doch Renata und ich gehörten beide nicht dazu.
    »Das stimmt nicht«, protestierte ich, allerdings mit weniger Nachdruck als beabsichtigt.
    »Du kannst die Augen davor verschließen, solange du willst. Aber ich melde dich trotzdem bei einer Krankenkasse an. Nicht, dass das Baby kommt und du es noch vor meinem Laden zur Welt bringst.«
    Ich rührte mich nicht. Renata trat noch einmal nach mir, allerdings war es nur ein sanfter Schubs gegen meinen, wie ich inzwischen feststellte, runder werdenden Bauch.
    »Steh auf«, befahl sie, »und setz dich an den Tisch. Für das Unterschreiben der vielen Formulare wirst du den Großteil des Nachmittags brauchen.«
    Ich stand auf, verließ die Kühlkammer und ging an dem hohen Papierstapel auf dem Arbeitstisch vorbei hinaus auf die Straße. Nachdem ich mich würgend über den Rinnstein gebeugt hatte, fing ich an zu rennen. Obwohl Renata immer wieder und mit zunehmender Lautstärke meinen Namen rief, drehte ich mich nicht um.
    Als ich den Supermarkt an der Ecke 17. Street und Potrero Avenue erreichte, war ich erschöpft und außer Atem, so dass ich keuchend auf einem rot angestrichenen Randstein zusammensackte. Eine alte Frau mit einer vollen Einkaufstüte blieb stehen, legte mir die Hand auf die Schulter und fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich stieß ihre Hand weg, so dass sie ihre Einkäufe fallen ließ. Während sich eine Menschenmenge ansammelte, schlüpfte ich in den Laden. Ich kaufte eine Dreierpackung Schwangerschaftstests und kehrte in mein blaues Zimmer zurück. Die leichte Pappschachtel lag wie ein Stein in meinem Rucksack.
    Natalya schlief noch. Ihre Zimmertür stand offen. Da ich seit einigen Monaten kaum noch dort lebte, hatte sie aufgehört, sie zu schließen, und knallte sie nur zu, wenn ich mich unerwartet blicken ließ. Ich zog die Tür leise zu und sperrte mich ins Bad ein.
    Nachdem ich auf alle drei Stäbchen gepinkelt hatte, reihte ich sie am Waschbeckenrand auf. Eigentlich hätte es drei Minuten dauern sollen. Tat es aber nicht.
    Ich schob das Badezimmerfenster auf und warf die Stäbchen nacheinander hinaus. Sie prallten ab und blieben auf dem mit Kies bestreuten Flachdach, nur einen halben Meter unterhalb des Fensters, liegen. Das Ergebnis war noch gut ablesbar. Ich setzte mich auf die Klobrille und schlug die Hände vors Gesicht. Natalya durfte auf keinen Fall davon erfahren. Dass Renata es wusste, war schon schlimm genug. Wenn Mutter Rubina davon hörte, würde sie zu mir ins blaue Zimmer ziehen, mich Tag und Nacht mit Spiegelei füttern und mir jede Stunde den Blutdruck messen.
    Ich ging in die Küche und kletterte auf die Anrichte. Natalya und ihre Bandmitglieder stiegen oft auf diesem Weg aufs Dach, aber ich hatte es noch nie versucht. Das Fenster über der Spüle war zwar klein, stellte jedoch selbst für meinen ausladender gewordenen Körper nur ein geringes Hindernis dar.
    Das Dach war mit Zigarettenkippen und leeren Wodkaflaschen bedeckt. Ich kroch über die Abfälle, sammelte die Schwangerschaftstests ein und steckte sie in die Tasche. Dann richtete ich mich, langsam und schwindelnd vor Anstrengung und wegen der Höhe, auf und blickte mich um.
    Die Aussicht war erstaunlich, schon deshalb, weil ich sie nie wirklich wahrgenommen hatte. Das

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