Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
warten wir noch, Boss? Der Überfall ist in vollem Gange!« Der Uibuj Stöpsel rutschte kippelig auf seinem Sitz herum und sah Pulle fragend an. »Wenn wir jetzt zuschlagen, gehört das Amulett uns!«
»Stöpsel, wenn du nicht endlich die Fresse hältst, reiß ich dir die Gedärme raus, ich schwör’s dir, ey«, grummelte Pulle, kratzte sich mit dem Griff seines kurzen, gebogenen Dolchs unter der Achsel und spuckte aus dem offenen Fenster. »Hammer wird uns das Amulett selbst bringen.«
In Absprache mit Säbel kontrollierten die Desastros die südlichen Abfahrtswege von der Burg. Deshalb erwarteten Pulle, Stöpsel und vier weitere Kämpfer den Clanführer der Odoros bereits seit eineinhalb Stunden am Lenin-Prospekt, wo sie ihren dicken Yukon-Jeep an der Kreuzung mit der Udalzowa-Straße geparkt hatten. Späher informierten Pulle ständig über die Ereignisse im Umfeld der Burg.
»Und wenn er das Amulett nicht uns bringt, sondern Säbel?«, nörgelte Stöpsel, dessen kleine schwarze Äuglein sich in das Gesicht des Clanführers bohrten. »Was, wenn Hammer in die andere Richtung fährt?«
Pulle gefiel es überhaupt nicht, wie begierig Stöpsel die grüne Distel auf seiner linken Wange anstarrte. Gerüchten zufolge hatte sich der Uibuj in letzter Zeit des Öfteren abschätzig über die Person des Clanführers geäußert und ihn sogar als Halbblut tituliert …
»Was machen wir dann?«, insistierte Stöpsel.
»Dann werden ihn die Jungs des Uibujen Fräse abfangen, die Säbel beschatten«, erwiderte Pulle gelassen.
»Davon wusste ich ja überhaupt nichts!«, entrüstete sich Stöpsel.
»Solltest du auch nicht«, parierte Pulle souverän, steckte seinen Dolch in die Scheide und grinste dem aufmüpfigen Uibujen ins Gesicht.
Der nassforsche und überdies strohdumme Stöpsel hatte sich sein eigenes Grab geschaufelt. Pulle wusste längst, wen er bei der bevorstehenden Schießerei als Ersten umlegen würde.
»Aber wenn Fräse Säbel beschattet, könnte es doch sein, dass die Fötidos auch uns überwachen«, schlaumeierte der Uibuj hartnäckig.
»Könnte sein, ja«, seufzte Pulle achselzuckend. »Dem Einäugigen habe ich noch nie vertraut.«
Der Uibuj Mühle ließ das Fernglas sinken und lockerte mit vorsichtigen Kopfbewegungen seinen steif gewordenen Nacken.
Als er von Säbel den Auftrag erhielt, den Führer der Desastros zu beschatten und sich bereitzuhalten, ihm notfalls das Gehirn aus dem Schädel zu pusten, hätte Mühle am liebsten Luftsprünge gemacht. Im Zuge der
letzen blutigen Fehde zwischen den Clans war sein leiblicher Bruder von Pulle erschossen worden, und der Uibuj hatte Rache geschworen.
Nun verharrten die Desastros bereits seit eineinhalb Stunden in ihrem schwarzen Yukon, und Mühle verlor allmählich die Geduld. Er schwang sich von seiner Harley herab und machte ein paar Kniebeugen. Seine Kämpfer, die auf ihren schweren Maschinen saßen, teilten seine Rastlosigkeit. Die endlose Warterei im Hinterhalt ging ihnen allen auf die Nerven.
»Wenn in den nächsten zehn Minuten nichts passiert, lege ich Pulle einfach so um«, beschloss Mühle. »Bei Säbel werde ich mich dann schon irgendwie rausreden.«
Die Kriegsmagier mussten in ohnmächtiger Wut mit ansehen, wie der Zwerg mit dem roten Kopftuch über eine Strickleiter aus dem Hubschrauber kletterte, zum Torbogen lief und ein kleines, silbernes Kästchen aus seinem schwarzen Rucksack nahm. Der Bote machte eine flüchtige Handbewegung, woraufhin das stolze Einhorn von einer grüne Wolke umhüllt wurde.
»Trauert, Unselige, denn dies ist der letzte Tag des Herrscherhauses Tschud!«, höhnte Lubomir.
Das Einhorn wurde zusehends kleiner. Als es die passende Größe hatte, legte der Zwerg die Magische Quelle in das Kästchen, schnallte sich den Rucksack mit der Beute um und erklomm die Strickleiter. Der Hubschrauber zog ihn sofort in die Lüfte. Der Bote hob den Kopf und nahm den einsam kreisenden Vogel ins Visier.
»Ihr habt alles gesehen, Nawen – wehe euch!«
Aus seinem Auge schoss ein feiner, grüner Blitz. Der geflügelte Späher fing sofort Feuer und fiel wie ein Stein zu Boden.
»Lebt wohl, Ritter!«
Lubomir löste sich in Luft auf.
»Ein Hubschrauber nähert sich dem Dach der Burg«, meldete Jana, während sie an ihrem Mineralwasser nippte.
»Gut so«, antwortete Cortes. »Der soll das Amulett abtransportieren. «
Die Söldner hatten ihren riesigen Geländewagen vom Typ Hummer am Wernadski-Prospekt geparkt. Sie standen in
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