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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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dreißig sein, aber hat eines dieser unschuldigen jungenhaften Gesichter, denen man ihr Alter kaum ansieht. Er ist attraktiv, im landläufigen Sinn. Er hat eine angenehme Stimme, unser Jack, weich wie Nougat, und ein Lächeln wie warme Milch mit Honig. Ich traf ihn einmal zufällig auf der Straße, als ich mit einer Kollegin unterwegs war, und trotz seines guten Aussehens hasste sie ihn auf den ersten Blick. »Ich kann solche Schleimer wie ihn nicht ausstehen«, meinte sie. »Davon kriege ich Kopfjucken. Ich würde so einem Kerl niemals über den Weg trauen.« Nun, wer hat denn was von trauen gesagt?
    Wenn Jack nett zu dir ist, kannst du davon ausgehen, dass du etwas hast, was er haben will. Die Sache mit Jack ist die, dass er absolut keine moralische Richtschnur besitzt, so beschrieb ihn einmal einer seiner schnöseligen Kollegen. Jack kann nur raten, was in den Köpfen normaler Leute vorgeht. Und wenn er sich einmal über etwas entrüstet, dann nur, weil er denkt, dass man in diesem Fall Entrüstung von ihm erwartet. Er versucht sich vorzustellen, wie ein normaler Mensch in dieser Situation empfinden würde. Wenn ich ganz ehrlich bin, törnt mich dieser völlige Mangel an moralischen Prinzipien irgendwie auch ein wenig an. Natürlich nur, solange ich der Ringrichter bin und die Situation kontrollieren kann. Ich schätze, ich kenne auch keine moralischen Prinzipien.
    »Lily möchte den Seelenklempner aufsuchen, von dem Sie uns erzählt haben«, sagt Alex zu mir, während er am Fenster steht und nach Thornton Ausschau hält. »Der Psychiater, zu dem Carol Ann ging.«
    »Aus welchem Grund?«
    Alex zuckt mit den Achseln.
    »Sie denkt, er könnte uns vielleicht irgendeinen Hinweis geben, wohin Carol Ann gegangen sein könnte.«
    »Sagen Sie ihr, diese Mühe könne sie sich sparen. Ich habe ihn befragt, und es war reine Zeitverschwendung.«
    Alex hört mir nicht mehr zu. Soeben ist Thornton in seinem Wagen vorgefahren. Durch das Panoramafenster sehe ich, wie er aussteigt, seine Anzugjacke von der Rückenlehne des Fahrersitzes nimmt und über seinen Arm legt. Er geht um das Auto herum auf die Beifahrerseite, öffnet die Tür, nimmt Notizbuch und Kassettenrekorder vom Sitz. Er sieht mich am Fenster stehen und registriert meine Anwesenheit mit einem leichten Heben der Augenbrauen.
    Alex begrüßt ihn mit einem förmlichen Händedruck. Jack probiert es mit seinem vertrauenerweckenden Lächeln und hat keinen Erfolg. Die beiden stehen verlegen im Wohnzimmer. Alex schaut hinunter auf seine Schuhspitzen. Bei dem Anblick muss ich an zwei Hunde denken, die sich umkreisen und beschnüffeln. Alex mag es nicht, wenn jemand sein Revier betritt. Jack denkt, Alex ist ein leichtes Spiel.
    Es ist offensichtlich, dass Jack will, dass ich mich raushalte.
    »Ich bin sicher, Alex schafft das Interview alleine, ohne dass Sie seine Hand halten müssen«, sagt er in leichtem Ton. »Nicht wahr, Alex?«
    Alex zuckt beiläufig mit den Schultern, als wäre die Angelegenheit vollkommen irrelevant. Aber er blickt mich durchdringend an, als ich verkünde, ich gehe in die Küche, Tee machen. Ich beeile mich. Kaum betrete ich wieder das Wohnzimmer, registriere ich, dass die Atmosphäre spannungsgeladen ist. Jack sitzt ganz vorn an der Kante seines Stuhls. Alex blickt ihn feindselig an.
    »Es gab also keinen Streit zwischen Ihnen und Ihrer Frau?«
    »Nein. Es gab keinen Streit«, erwidert Alex mit ausdrucksloser Stimme. Er nimmt die Tasse Tee aus meiner Hand entgegen und schaut mich vorwurfsvoll an.
    »Danke, Karen«, sagt Jack, als ich seine Tasse auf dem Tisch vor ihm abstelle.
    »Verzeihen Sie mir, wenn ich jetzt ein klein wenig persönlich werde, Alex« erklärt Jack, »aber um den Artikel schreiben zu können, muss ich alles, was vorgefallen ist, nachvollziehen können, verstehen Sie? Wie würden Sie also Ihre Ehe mit Carol Ann beschreiben?«
    Gut gemacht, Jack. Er hat mir also neulich abends tatsächlich zugehört.
    »Was meinen Sie damit, wie ich sie beschreiben würde?«
    »Na, hatten Sie ein gutes Verhältnis zueinander? Waren Sie glücklich? Ist es möglich, dass Carol Ann wegging, weil sie mit jemand anderem zusammen sein wollte?«
    »Nein.«
    »Weshalb sind Sie da so sicher?«
    »Hören Sie, was soll das Ganze? Ich dachte, Sie wollten die Umstände von Carol Anns Verschwinden erfahren? Wollen Sie nun als Eheberater tätig werden?«
    »Sie wirken sehr unruhig und nervös, Alex.«
    »Nervös? Ich bin nicht nervös. Ich bin stinksauer wegen der

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