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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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verliert?«
    »Das weiß der liebe Gott. Nein«, fügt er dann schnell hinzu, sich korrigierend. »Nein. Sie ist einfach … ach, sie ist einfach nur verwirrt. Manchmal bringt sie die Namen durcheinander, verstehen Sie? Ich glaube, manchmal wenn sie von Flora redet, meint sie eigentlich Carol Ann. Sie verwechselt nur die Namen. Das ist häufig so nach einem Schlaganfall.«
    Sieh an, er ist ja ein richtiger Experte geworden, denke ich bei mir. Er rutscht auf seinem Stuhl herum, lässt den Kopf kreisen und fasst sich an den Nacken, als wollte er seine verspannten Schultern lockern.
    »Sie ist ganz krank vor Sorge um Carol Ann.«
    Die Bedienung geht an unserem Tisch vorbei, in der Hand Kuchenteller für eine Familie an dem Tisch hinter uns. Die Frau ist Ende dreißig, schätze ich. Noch sieht sie gut aus, doch sie ist auf dem absteigenden Ast. Ein hübsches Gesicht, das jedoch dazu neigt, teigig zu werden, und ihrer Kleidung sieht man an, dass ihre äußere Erscheinung ihr nicht mehr so wichtig ist. Ein schwacher Hauch ihres Parfums weht uns an, als sie vorbeigeht. Alex’ Blick folgt ihren Bewegungen. Es ärgert mich, dass er hier mit mir am Tisch sitzt und währenddessen sie anglotzt. Ich drehe mich betont in seine Blickrichtung, tue so, als würde ich sehen wollen, was da seine Aufmerksamkeit erregt, obwohl ich es ganz genau weiß. Ich mache deutlich, dass er sie anstarrt.
    Alex senkt den Blick.
    »Sie erinnert mich an Carol Ann«, sagt er, und zu meiner Verblüffung bebt plötzlich seine Stimme. »Ihr Haar …«
    Er kann nicht weitersprechen. Seinem Gesicht ist deutlich anzusehen, wie sehr er um Fassung ringt. Sein Unterkiefer zittert gefährlich. Es ist, wie wenn man vor einem baufälligen Haus steht und weiß, wenn jetzt nur ein einziger Stein herausfällt, sind die Folgen verheerend. Dann wird das ganze Gebäude in einer Wolke aus Staub und Geröll in sich zusammensinken.
    Ich gerate in Panik, als ich Alex in diesem Zustand sehe. Um Gottes willen keine Tränen. Und vor allem nicht hier, vor all diesen Menschen.
    »Lassen Sie uns aufbrechen«, sage ich leise. »Sie gehen nach draußen, ich zahle inzwischen. Wir treffen uns an der nächsten Ecke.«
    Alex widerspricht nicht. Er nimmt sein Sakko von der Stuhllehne und wirft es über seinen Arm. Er greift nach seiner Mappe. Mit eiligen Schritten verlässt er das Café.
    Draußen eröffnet er mir, knapp und verlegen, dass er nun doch besser gehen werde, nach Hause. Nein, erwidere ich, noch nicht. Er ist noch nicht in der Verfassung dazu. Kommen Sie mit zu mir. Aber er weiß nicht, wo ich wohne. Und überhaupt, protestiert er, er sollte längst zu Hause sein. Die beiden werden bereits auf ihn warten. Steve passt doch auf Lily auf, wende ich ein. Sie könnten ihn ja jederzeit auf dem Handy erreichen, wenn es nötig wäre, wenn sie ihn bräuchten. Kommen Sie doch mit zu mir auf einen Drink. Wo hat er seinen Wagen geparkt? Er braucht mir nur nachzufahren. Ich zeige ihm den Weg.
    Er zögert.
    Das Gespräch bringt ihn in ziemliche Bedrängnis. Ich mache ihn unruhig, sage genau das, was er im Grunde hören möchte, weil er ja eigentlich gar nicht nach Hause fahren will. Und weil er sich von seiner Gefühlswallung von vorhin noch nicht wieder erholt hat, kann er nicht klar genug denken und weiß nicht, wie er Nein sagen soll. Er ist jetzt verletzlich; jeder sucht Trost, wenn er seelisch erschüttert ist. Doch noch einen Grund gibt es, der ihn schließlich dazu bringt einzuwilligen. Er will ja eigentlich gar nicht Nein sagen. Tief drinnen will er unbedingt mit zu mir nach Hause. Ich bin nicht wie Carol Ann. Ich reize ihn. Ich bin eine Herausforderung für ihn. Ich weiß es.
    Er ist hin- und hergerissen. Einerseits will er mitkommen, dann macht er wieder einen Rückzieher. Es ist das gleiche Gefühl, wie wenn jemand zu einem sagt, fass das nicht an, es ist heiß. Instinktiv will man es selber testen, oder? Instinktiv streckt man den Finger aus, weil man spüren will, wie heiß es ist. Doch was soll das Ganze überhaupt? Jedes Mal verbrennst du dir doch nur die Finger.
    In meiner Wohnung angekommen sitzt Alex stumm da und sieht so aus, als würde er seinen Entschluss bereits wieder bereuen. Ich schenke ihm einen Drink ein. »Hören Sie«, sage ich, als ich ihm sein Glas reiche. »Wir müssen da noch etwas besprechen, wir beide. Es ist an der Zeit, dass Sie mir von Josie erzählen.«

30. Kapitel
    Carol Ann
    D as kleine Strandhaus hat jetzt ein neues Dach. Michael erledigt die

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