Die Verborgenen
Strähnen, so gut sie konnte. Sie hatte seit sechs Monaten nicht mehr mit Bryan gesprochen, und dann würde er sie so zu Gesicht bekommen?
Aber warum kümmerte sie es überhaupt, wie sie in seinen Augen aussah? Er war ausgezogen und hatte seither nicht einmal mehr angerufen. Zwei Jahre lang hatten sie sich ihre Wohnung geteilt, und zuvor waren sie sechs Monate lang regelmäßig miteinander ausgegangen. Sie waren also zweieinhalb Jahre zusammen gewesen. Sie hatte nicht darauf gedrängt, dass er sie heiraten würde, obwohl sie einen Antrag ohne Nachzudenken angenommen hätte. Sie hatte nichts weiter gewollt, als die Worte Ich liebe dich zu hören.
Doch er hatte diese Worte nie gesagt. Während der ganzen Zeit, in der sie zusammen waren, hatte er sie nicht ein einziges Mal ausgesprochen.
Der zweite Jahrestag seines Einzugs bei ihr hatte ihr klargemacht, dass sie diese Worte von ihm hören musste. Sie konnte an nichts anderes mehr denken. Er liebte sie, das wusste sie. Er brauchte nur einen kleinen Schubs, das war alles. Etwas, das ihn dazu brachte, tief in sich selbst zu blicken und zu begreifen, was sie zusammen besaßen. Sie hatte es ihm einfach gemacht: Wenn er nicht sagen konnte, dass er sie liebte, dann liebte er sie nicht, und dann würde er gehen müssen.
Aber sogar angesichts dieses Ultimatums hatte er die Worte nicht ausgesprochen. Erst ganz am Ende begriff sie, dass sie ihre Bedürfnisse auf ihn projiziert hatte. Am liebsten hätte sie den letzten Streit vergessen. Wie sie geschrien und welche Dinge sie gesagt hatte; und wie er einfach ruhig und so gut wie stumm dagestanden und kaum ein Wort auf ihr wütendes Toben erwidert hatte. Bryan mit den kalten Augen. Der Terminator. Er hatte sie nicht geliebt. Verdammt, vielleicht war er nicht einmal fähig zu lieben.
Sie hatte ihm gesagt, dass er gehen sollte, und das hatte er getan. Anders als im Kino war er nicht zurückgekommen.
Wahrscheinlich vögelte er alles, was sich bewegte. Sie hätte dasselbe tun sollen, aber sie wollte einfach nicht. Auch nach sechs Monaten wollte sie nur ihn. Niemand hatte es je geschafft, dass sie sich so fühlte wie in seiner Nähe. Sie hatte Angst, dass das auch in Zukunft bei einem anderen Menschen nie so sein würde.
Die Tür der Gerichtsmedizin öffnete sich. Bryan Clauser und Pookie Chang kamen herein.
»Hey, Robin«, sagte Pookie. »Verdammt, Mädchen, du siehst sexy aus.«
»Klar. Ich hatte kaum vier Stunden Schlaf, aber Schmeichelei bringt einen weiter.«
Pookie grinste. »Ich bitte dich. Wenn ich wirklich in dein Höschen kommen wollte, würde ich dir ein paar dieser Weizenkekse von Bow Wow Meow mitbringen, die Emma so mag.«
»Ja, das würde wahrscheinlich funktionieren.«
Pookie griff in seine Tasche und zog einen wiederverschließbaren Beutel heraus, der mit dicken Keksen gefüllt war. » Ta-daa! Da haben wir sie, Schätzchen, und jetzt zieh schon mal deinen BH aus.«
Sie lachte und nahm den Beutel. »Was? Du trägst die Lieblingsleckereien meiner Hündin mit dir herum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich wusste, dass ich dich früher oder später sehen würde. Ich hatte sie im Auto.«
»Pookie, wie schaffst du es nur, dich an solche Dinge zu erinnern?«
Er deutete auf seinen Kopf. »Da drin schwimmen jede Menge nutzlose Informationen herum.«
»Na schön. Ich danke dir, und Emma ebenso.« Sie schob den Beutel in ihre Tasche.
Robin wandte sich ihrem früheren Geliebten zu. »Bryan.«
Er nickte knapp. »Robin.«
Das war es also. Kein Mein Gott, tut das gut, dich zu sehen oder Ich hoffe, es geht dir gut, nur ein einfaches Robin . Etwas an seiner Stirn fiel ihr auf.
»Du wurdest genäht? Was ist passiert?«
»Ich bin in der Dusche gestürzt«, sagte Bryan.
Er würde sich den Bart stutzen müssen, und er sah so müde aus. Was ihr auffiel, waren nicht so sehr die Schatten unter seinen Augen als vielmehr seine Blässe. Er wirkte … verloren. Was hatte er nur durchgemacht?
Bryan hatte schon immer etwas ausgestrahlt, das sie nie hatte definieren, aber auch nie hatte ignorieren können, und obwohl er krank aussah, brannte dieses Etwas noch immer heiß in ihm. Sie fühlte sich noch genauso von ihm angezogen wie früher.
Sie starrte ihn an. Er erwiderte ihren Blick mit seinen schönen, distanzierten grünen Augen.
»Jungs und Mädels«, sagte Pookie, »ich weiß, dass da noch vieles im Hintergrund ist, was ihr beide aufarbeiten müsst, aber können wir die schmachtenden Blicke vielleicht auf später
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