Die Verborgenen
wir haben gesehen, wie Jay gestorben ist. Wir waren unterwegs, um ihn abzuholen. Erinnerst du dich an den Bullen in Schwarz, der hier war? Er hat Jay eine Waffe ins Gesicht gehalten. Es sind die Cops, die uns umbringen wollen.«
Die Oberlippe seiner Mutter zitterte. Rotz lief ihr aus dem linken Nasenloch. So gottverdammt jämmerlich.
»Aber Alex, Baby, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn . Warum sollte die Polizei deinen Tod wollen? Was hast du getan?«
Auch er hatte darauf noch immer keine Antwort. Er und die Jungs hatten so manchen Scheiß gebaut, das war klar, aber nichts davon war so schlimm gewesen, dass Oscar und Jay den Tod verdient hätten.
»Es regnet, Baby«, sagte seine Mutter. »Draußen ist es kalt und nass. Kannst du nicht wenigstens hierbleiben, bis der Regen aufgehört hat?«
Issac nickte viel zu begeistert. »Das ist eine gute Idee. Nur bis der Regen aufgehört hat. Findest du nicht auch, dass das eine gute Idee ist, Alex?«
Alex starrte Issac an, bis der schmächtigere Junge wegsah. Dann starrte er seine Mom an. Sie versteckte etwas vor ihm. Sein Blick senkte sich – sie hatte ihr Handy in der Hand.
Er packte sie am Handgelenk und riss ihren Arm hoch.
»Au! Alex, hör auf!«
Er riss ihr das Handy aus der Hand. Sie wollte danach greifen, doch er schob sie weg. Sie stürzte und schlug hart mit dem Kopf gegen die Schlafzimmertür.
Er rief ihre Textnachrichten auf. Die neueste lautete:
ALEX IST ZU HAUSE, BEEILEN SIE SICH!
Sie hatte die Nachricht sofort losgeschickt, nachdem Alex und Issac durch die Hintertür des Gebäudes geschlichen und in die Wohnung heraufgekommen waren. Der Empfänger war Pookie Chang, SFPD . Alex Magen krampfte sich zusammen. Die Bullen würden kommen. Wie konnte seine eigene Mutter ihn nur derart hintergehen?
Er hielt ihr das Handy dicht vor das Gesicht. »Dieser Typ, dem du die Nachricht geschickt hast – er war vor Ort, als Jay gestorben ist! Er ist der Partner des Cops, der Jay eine Waffe ins Gesicht gehalten hat, du dumme Hure!«
»Alex! Bitte! «
Er wollte ihr ins Gesicht schlagen, doch er konnte nicht; sie war immer noch seine Mutter. Er rannte ins Wohnzimmer, holte ihre Handtasche, kam wieder zurück. Darin fand er fünfzig Dollar und ein kleines Tütchen Gras. Er warf die Tasche nach ihr. Die Tasche traf sie im Gesicht. Sie hob die Hand an den Mund, und dann – natürlich – fing sie wieder an zu weinen.
»Verräterische Schlampe«, sagte Alex. »Issac, komm schon. Wir müssen …«
Das Geräusch von splitterndem Holz. Jemand hatte soeben die Wohnungstür aufgebrochen.
Der Regen strömte immer heftiger herab, doch das trat völlig in den Hintergrund, als Rex sah, wie sich das Fenster im sechsten Stock öffnete. Er beobachtete, wie eine große Gestalt auf die Feuertreppe kletterte; das schwarze Sweatshirt und die schwarzen Jeans ließen sie fast völlig mit der Nacht verschmelzen. Kaum befand sich die Gestalt im Freien, folgte ihr eine zweite.
»Marco«, sagte Rex. »Die sehen aus wie Alex und Issac.«
Sorgenvoll zupfte Marco an seinem Ohr. »Oh-oh. Wo ist Sucka?«
»Ich weiß nicht mal, wer Sucka ist, also wirst du mir das sagen müssen.«
Marco starrte sein Handy an, als könnte sein Blick das Gerät zum Klingeln bringen, damit es ihm verriet, was vor sich ging. Regentropfen fielen platzend auf das leuchtende Display. Er sah hoch zu den beiden Jungen auf der Feuertreppe. »Ich weiß nicht, was hier los ist.«
Rex war verwirrt. In Rex’ Wohnung hatte Marco so rasch gehandelt, doch jetzt wirkte er verloren und unsicher. Vielleicht war er jemand, der konkrete Anweisungen brauchte?
Alex und Issac stiegen die steilen Stufen der Feuertreppe vom sechsten in den fünften Stock hinab. Könnte man sie jemals wiederfinden, wenn sie entwischten? Sie würden entkommen, und das wäre nicht fair – nicht, wenn Rex und Marco so nahe an ihnen dran waren.
»Marco«, sagte Rex. »Schnapp sie dir.«
Marco sah Rex an, dann das Handy und dann zu Alex und Issac.
»Es ist noch nicht einmal Mitternacht«, sagte er. »Das alles ist zu öffentlich. Es gibt Regeln.«
Alex erreichte den Treppenabsatz im vierten Stock. Nicht mehr lange, dann wäre er verschwunden.
Rex hob die Hand, packte Marcos nassen Bart und zog das Gesicht des Mannes zu sich heran. »Deine blöden Regeln sind mir egal! Schnapp dir Alex! Und wage es nicht, ihn zu töten, hörst du mich?«
Marcos Augen wurden schmal – nicht vor Wut, sondern vor Entschlossenheit. Er steckte das Handy weg und
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