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Die Verborgenen

Die Verborgenen

Titel: Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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seiner Tochter, die noch ein Teenager war, geführt.
    Die Angreifer schossen zuerst auf Aggie. Genaugenommen schossen sie sogar zweimal auf ihn, einmal ins Bein und einmal in die Brust. Er erinnerte sich, wie er auf seinen Hintern fiel und mit dem Rücken gegen die Theke lehnte. Das Blut strömte in alle Richtungen aus seinem Körper. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht einmal einen Finger rühren, doch er blieb lange genug bei Bewusstsein, um zu sehen, wie die Angreifer seiner Frau in den Kopf schossen. Er blieb lange genug bei Bewusstsein, um zu sehen, wie seine Tochter zur Tür rannte und dabei in den Rücken geschossen wurde, bevor sie den Ausgang des Cafés erreichte. Er blieb lange genug bei Bewusstsein, um zu sehen, wie sie über den Boden kroch, ihre blutigen Hände nach ihm ausstreckte und ihren Daddy bat, ihr zu helfen, bitte hilf, bitte!
    Aggie James blieb sogar lange genug bei Bewusstsein, um die Waffe zu sehen, die sich auf das Gesicht seiner Tochter richtete – gerade lange genug, um zu hören, wie ihr letzter Schrei abrupt abbrach, als der Schütze den Abzug drückte. Erst dann wurde er ohnmächtig.
    Die Cops sagten ihm später, dass die Täter ihn wahrscheinlich für tot gehalten hatten und die Ohnmacht ihm das Leben gerettet hatte.
    Das Leben .
    Was für ein Witz.
    Diese verdammten Erinnerungen. Er konnte sie nicht abschütteln. Das schaffte er nur, wenn er mindestens einen Monat lang ständig Heroin nahm. Dadurch vergaß man alles. Fast.
    Er hatte alles verloren, was für ihn in seinem Leben einen Wert besessen hatte. Nichts würde je wieder die unentrinnbare Leere in seinem Herzen füllen. Dabei hatte er sich – natürlich – sehr darum bemüht. Doch weil er keinen Grund fand, weiterzumachen und ihm ebenso der letzte Anstoß fehlte, allem ein Ende zu setzen, hatte er sich für einen langsamen Weg in Richtung Grab entschieden. Einen schmerzhaften Weg. Damit hatte er sich abgefunden, denn wenn ein Mann seine Familie nicht schützen konnte … verdiente er es dann, zu leben? Aggies Antwort hatte Nein gelautet.
    Doch das war vor dem weißen Verlies gewesen.
    Dieser grauenvolle Ort erinnerte Aggie daran, dass das Leben – gleichgültig, wie beschissen es auch immer sein mochte – bei Weitem besser war als die Alternative. Wenn er die vergangenen Stunden richtig einschätzte, dann war es etwa vor anderthalb Tagen gewesen, dass Hillary ihm neue Hoffnung gegeben hatte. Sofern es überhaupt eine Chance gab, hier wieder rauszukommen und zu leben, würde Aggie alles tun, was sie von ihm verlangte.
    Er schaffte es schließlich, sich den Schlaf aus den Augen zu blinzeln, und erkannte, dass links von ihm – dort, wo sich zuvor der Mexikaner befunden hatte – ein neuer Mann an die Wand gekettet worden war. Nein, es war kein Mann, es war ein Junge. Aber ein verdammt großer Junge. Sein Gesicht sah aus wie ein angeschwollener Hamburger: aufgerissene Lippen, abgebrochene Zähne, der ganze Mund von verkrustetem Blut bedeckt und eine wirklich übel zugerichtete Nase. Er spuckte Blut und gab ein leises Stöhnen von sich, ein Stöhnen, das den Rhythmus gesprochener Worte aufwies, doch man konnte keines dieser Worte verstehen.
    Der Junge öffnete den Mund, um lauter zu stöhnen, und Aggie sah, warum die Geräusche, die er von sich gab, ohne Bedeutung blieben: Jemand hatte ihm die Zunge herausgeschnitten.
    Zu seiner Rechten hörte Aggie Geräusche, die er ebenfalls nicht verstand, doch das lag lediglich daran, dass er kein Chinesisch sprach. Die tränenüberströmten Augen zusammengekniffen, kniete der Chinese auf dem Boden und wippte vor und zurück, als betete er.
    Aggie James konnte dem Chinesen nicht helfen, und er konnte dem zungenlosen Jungen nicht helfen. Er konnte niemandem außer sich selbst helfen, und auch das nur, wenn Hillary ihm eine Chance gab.
    Er legte sich wieder hin und schloss die Augen. Vielleicht würde er erneut von seiner Tochter träumen.

Väter und Söhne
    A ls Bryan den Wagen vor Mike Clausers Haus ausrollen ließ, sah er, dass sein Dad mit einem Bud Light in der Hand auf der Treppe vor der Eingangstür saß. Fünf weitere Flaschen befanden sich in dem Sixpack zu seinen Füßen. Er trug weder Hemd noch Schuhe, sondern nur eine abgewetzte Jeans und schwarze Socken.
    Er wartete. Was bedeutete, dass Pookie angerufen hatte. Dieser verdammte Pookie.
    Bryan stellte den Motor des Buick ab. Seine Hände umklammerten das Steuer.
    Wenn Erickson mindestens sechzig Jahre alt und darüber

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