Die Verborgenen
gehupt.
»Alles in Ordnung. Bri-Bri? Wenn du willst, bleibe ich heute Nacht bei dir.«
Bryan setzte seine feierlichste Miene auf. »Danke, nein«, sagte er. »Das ist nicht mein erstes Rodeo. Ich muss einfach nur allein sein, um über alles nachzudenken.«
Pookie nickte. »Alles klar, Kumpel. Aber ruf mich an, wenn dich der Weltschmerz packt, okay?«
»Danke, Mann.« Bryan musste sich dazu zwingen, seinen erschöpften Körper aus dem Wagen zu hieven. Er stolperte in das Apartmentgebäude. Was für ein Tag. Eine Schießerei, die Organisation der Arbeit am Tatort, seine Aussage, der vorläufige Bericht über die von ihm abgegebenen Schüsse – das alles war zu viel. Es würde noch so manchen langen Arbeitstag geben. Doch angesichts all der Zeugen und eines Angreifers, der mitten in einem voll besetzten Restaurant das Feuer eröffnete, würde Bryan keine Probleme bekommen. Das bedeutete natürlich nicht, dass das übliche Verfahren nicht eingehalten würde. Der erste Termin der Untersuchungskommission war bereits angekündigt. Das war jedes Mal eine ganz wunderbare Veranstaltung.
Noch bevor er den Tatort hatte verlassen dürfen, hatte er die vorgeschriebene Unterhaltung mit dem Psychoklempner der Polizei geführt. Ging es Bryan gut? Wie fühlte er sich angesichts der Schüsse? Konnte man ihn heute Nacht alleine lassen?
Bryan hatte gesagt, was er immer sagte – dass es sich schrecklich anfühlte, einen Menschen zu töten.
Und wie immer war das eine Lüge gewesen.
Genoss er es, Menschen umzubringen? Nein. Fühlte er sich schlecht deswegen? Nicht im Geringsten. Er wusste, dass er irgendetwas fühlen sollte , doch wie bei den letzten vier Malen empfand er nichts.
Der Angreifer hatte eine Pumpgun abgefeuert. Hätte Bryan ihn nicht erschossen, läge Lanza jetzt wahrscheinlich in einem Leichensack. Oder Pookie. Oder Bryan selbst.
Lanza war ein Idiot. Vielleicht hatten die Leute von der Ostküste so viel Respekt vor der Mafia, dass die Mitglieder dieser ehrenwerten Gesellschaft tun und lassen konnten, was sie wollten, doch hier war das anders. Lanzas Vater war ein heller Kopf und ziemlich gerissen. Sein Sohn? Wohl kaum. Er und seine Freunde kleideten sich, als wollten sie über Nacht das goldene Zeitalter des Verbrechens wiederauferstehen lassen. Jetzt wusste Lanza, dass die Dinge ganz und gar nicht so liefen.
Von der Schießerei bis zur Unterhaltung mit dem Psychoklempner hatte das Adrenalin Bryan auf den Beinen gehalten, und doch hatten seine Kräfte bereits da immer mehr nachgelassen. Sobald die Aufregung abebbte, fühlte er sich vollkommen ausgelaugt.
Bryan drückte auf den Knopf, um den altersschwachen Aufzug zu holen, doch statt des klappernden, brummenden Motors hörte er überhaupt nichts. Verdammt, der Aufzug war schon wieder kaputt!
Er schleppte sich die vier Stockwerke nach oben, wobei er bei jedem Schritt das Gefühl hatte, den viel größeren Fuß eines anderen Menschen zu heben. Als er die vierte Etage erreicht hatte, legte er eine Pause ein. Die schmerzenden Muskeln konnte er ignorieren, jedenfalls größtenteils. Dasselbe galt für die Schmerzen in den Gelenken, den hämmernden Puls und das Fieber. Doch plötzlich verlangte eine neue Art von Schmerz seine Aufmerksamkeit.
Brustschmerzen.
Bryan knirschte mit den Zähnen. Dann rieb er sich heftig das Brustbein. Hatte er einen Herzinfarkt? Nein. Die Schmerzen schienen von einer Stelle zu kommen, die ein wenig über seinem Herzen lag. Aber was wusste er schon von Herzinfarkten? Vielleicht begannen sie an genau dieser Stelle.
Dann ließ der Schmerz plötzlich nach. Bryan holte tief Luft. Vielleicht sollte er einen Arzt rufen, aber er war so furchtbar müde.
Wahrscheinlich war es nichts. Nur Grippe. Möglicherweise hatte ihn die Schießerei mehr gestresst, als er selbst wusste. Wenn sich seine Brust am nächsten Tag noch immer so anfühlte, würde er definitiv zum Arzt gehen.
Bryan ging in seine Wohnung und begann, seine Waffen abzulegen. Er schaffte es gerade noch, sich die meisten Kleider vom Leib zu streifen, bevor er ins Bett fiel und auf der Bettdecke einschlief.
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D ie modrige Feuchtigkeit verrottender Kleider.
Der Gestank von fauligem Müll.
Das pulsierende Herz der Jagd.
Zwei Gefühle, die um die Vorherrschaft streiten: der überwältigende, metallische Geschmack von Hass und das nagende, kribbelnde Gefühl eines lauernden Bösen.
Noch während er jagte, machte etwas Jagd auf ihn.
Bryan blieb regungslos stehen und
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