Die Verborgenen
Wänden aus nacktem Erdreich ab. An einer Stelle weitete sich der Tunnel. Genau dort schob Hillary Aggie in einen Seitenarm. Im Bemühen, alles richtig zu machen, wollte Aggie der Abzweigung schon eifrig folgen, als Hillary ihn packte, ihn zu sich umdrehte und ihn so dicht an sich gedrängt festhielt, dass es fast so aussah, als küssten sie sich.
»Was du jetzt sehen wirst, bekommt sonst niemand zu Gesicht«, sagte sie. »Du wirst vollkommen still sein und genau dorthin gehen, wohin ich es dir sage. Wenn du auch nur einen Ton von dir gibst, werden sie dich in Stücke reißen. Verstanden?«
Aggie nickte.
Sie drängte ihn in eine Spalte, die so schmal war, dass er nur seitwärts vorankam. Erde und Gestein streiften ihm über das Gesicht und die Brust. Die Wände erinnerten an eine archäologische Ausgrabung, denn außer der Erde und dem Gestein befanden sich hier geschwärzte Bretter, verrottetes Bauholz, Teile kaputter Glasflaschen, Keramikscherben und das rostige Metall von alten Werkzeugen, Benzinkanistern und Leitungsrohren. Der Tunnel war von Laien geschaffen worden, die sich durch eine alte Erdaufschüttung gegraben hatten. Der Tunnel mit den Müllwänden stieg so steil an, dass Aggie bereits nach zwanzig Schritten außer Atem war.
Während des Aufstiegs wurde die Luft von einem immer intensiveren Geruch erfüllt. Es war kein Parfüm. Der Geruch war schwerer, animalischer . Aggie blieb stehen, um ihn tief durch seine Nase einzuatmen. Worum auch immer es sich handeln mochte, er konnte nicht genug davon bekommen.
Hillary drängte ihn vorwärts. »Beeil dich. Du musst es sehen.«
Er stieg weiter nach oben. Ausgerechnet jetzt begann sein Penis zu zucken. Es war doch völlig unmöglich, dass er in einer solchen Situation geil wurde, oder?
Der Boden wurde eben. Aggie fand sich in einem winzigen Raum wieder, dessen Decke so niedrig war, dass er auf Händen und Knien weiterkriechen musste. Der Boden bestand aus einer chaotischen Ansammlung von Metallgittern und Eisenstangen aus alten Gefängniszellen. Aggie konnte hindurch in die dunkle Leere darunter sehen.
Hillary beugte sich vor zu seinem Ohr. »Wir haben es pünktlich geschafft.«
Er flüsterte zurück: »Pünktlich – wozu?«
»Um zu sehen, was passieren wird, wenn du nicht tust, was ich sage.«
Unten erschien ein winziges Licht, eine einzelne Kerze, die von einem Mann in einer weißen Robe getragen wurde. Der Mann trug die Maske eines verzerrt lächelnden Dämons. Aggie erkannte, dass sich der Boden etwa drei Meter unter den Gittern befand. Er war dem Mann so nahe, dass er beinah dessen Kapuze hätte berühren können, wenn er den Arm durch das Gitter geschoben und ausgestreckt hätte.
Ein weiterer Maskierter in einer weißen Robe, der ebenfalls eine Kerze trug, trat ein. Dann noch einer. Und noch einer.
Nach und nach vertrieben die Kerzen die Dunkelheit, sodass ein rechteckiger, etwa sechs mal viereinhalb Meter großer Raum sichtbar wurde. An einem Ende des Raums beleuchtete das schwache Licht eine aus einzelnen Flicken zusammengesetzte Plane, die etwas Großes bedeckte. Dieses Etwas war eine Erhebung von den Ausmaßen eines auf der Seite liegenden Elefanten.
Immer mehr Kerzen tragende, in weiße Roben gehüllte, maskierte Männer traten ein. Sie kamen durch eine schmale Tür, die sich in der Mitte einer der längsseitigen Wände befand. Die Tür schien gleichzeitig der einzige Ausgang zu sein. Aggie sah, dass die ersten Maskierten den Raum bereits wieder verließen, und er begriff, dass er Zeuge einer Prozession wurde. Die Männer traten ein, fanden einen Platz für ihre Kerzen und gingen dann schweigend hinaus. Der Raum wurde heller, und immer strahlender schimmerte das flackernde Licht auf der Flickenplane.
Ein Ende der Plane bewegte sich. Aggie hörte, wie genau an dieser Stelle der Abdeckung das Stöhnen einer Frau erklang. Einer der Maskierten rannte an das andere Ende der Plane. Er schob seine Hand darunter, zog etwas hervor, richtete sich auf und drückte dieses Etwas an seine Brust. Was war das für ein Fleck auf seiner weißen Robe? War das Blut? Frisches Blut? Der Maskierte drängte sich an den anderen vorbei und verließ den Raum.
Hillary packte sein Ohr und verdrehte es. »Keinen Ton. Wenn sie dich sehen, bist du tot.«
Der merkwürdige Geruch wurde immer intensiver. Aggies Gesicht fühlte sich heiß an. Sein Schwanz begann, steif zu werden.
Ununterbrochen strömten die Maskierten herein und stellten ihre Kerzen auf Regale, den
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