Die Verborgenen
rechts davon; es war noch weiter auf die Seite gekippt als das erste, sodass das Deck in einem Winkel von 45 Grad nach oben zeigte. Vom Rumpf war kaum noch etwas intakt. Es sah aus, als hätte ein Riese das ganze Schiff dreißig Meter hochgehoben und fallen lassen, um es wie eine Melone auf dem Bürgersteig zu zerschmettern. An seinem Heck konnte Rex nur noch einzelne Buchstaben erkennen: ein R , dann freier Raum für zwei fehlende Buchstaben, dann AR , dann wieder eine freie Stelle, dann ein O .
Rex sah, dass aus den Schiffen Lichter leuchteten. Durch die zerstörten Rümpfe hindurch konnte er Betten, Wände und provisorische Türen erkennen. Sie alle befanden sich auf ebener Erde. Es war offensichtlich, dass dort Menschen lebten, auch wenn niemand anwesend zu sein schien.
Zwischen den beiden Schiffen standen einige Autos: ein demolierter Schulbus mit eingeschlagenen Scheiben sowie zwei Lieferwagen, die aussahen, als gehörten sie auf einen Schrottplatz.
All das unter den Straßen von San Francisco? Und dieser Ort sah alt aus, als hätte er bereits existiert, als jene Schiffe das Wasser des Ozeans durchsegelten. Eine Welt im Verborgenen, die schon immer hier gewesen war und nur darauf gewartet hatte, dass er sie fand.
»Sly, das ist faszinierend.«
»Das ist dein Zuhause «, sagte Sly. »Willkommen in deinem Königreich.«
Rex versuchte, alles in sich aufzunehmen. So atemberaubend, so überwältigend. Doch wenn das sein Königreich war – wo waren dann seine Untertanen?
»Hier ist niemand«, sagte er. »Ich dachte, es gäbe mehr von uns.«
Sly lachte. Die zischenden, rauen Laute, die er ausstieß, hätten Rex noch wenige Tage zuvor aus Angst in die Hose pinkeln lassen.
»Die gibt es tatsächlich«, sagte Sly. »Jede Menge. Sie sind in der Arena. Dort gehen wir auch hin. Um deinem Volk zu sagen, dass du gekommen bist, um uns besseren Zeiten entgegenzuführen.«
Das sagte Sly ständig. Was bedeutete es? Vielleicht war es wie in den Fantasy-Romanen, in denen ein Auserwählter die Menschen zur Überwindung des Bösen anführte. Wenn es sich wirklich um eine Prophezeiung handelte, dann hoffte Rex, dass er sie erfüllen konnte.
»Die Arena«, sagte Rex. »Wie kommen wir da hin?«
»Durch noch mehr Tunnel«, sagte Sly. »Es wird ein wenig dauern. Wenn wir dort sind, kann jeder dich sehen, und du kannst Mama sehen. Hillary hat gesagt, dass es wirklich wichtig ist, dass du mit Mama zusammenkommst.«
»Wer ist Hillary?«
Sly grinste breit, sodass man seine Zähne sehen konnte. »Sie ist der Grund, warum wir zu dir gekommen sind, mein König. Du wirst sie mögen. Aber es wird nicht nur spaßig werden, denn der Erstgeborene wird auch da sein. Er wird nicht besonders glücklich darüber sein, dich zu sehen. Aber mach dir keine Sorgen, wir werden dich beschützen.«
Rex warf einen Blick auf Sly und dann auf Pierre, Sir Voh und Fort. Diese Männer waren so groß, so stark. Wie sollte es möglich sein, dass der Erstgeborene sie bedrohen könnte?
Aus dem zur Seite geneigten Schiff rief eine hallende Stimme nach ihnen. »Mein König!«
Ein kleiner Mann stand auf einer hohen Reling. Als Rex zu ihm sah, sprang er auf die sechs Meter tiefer gelegene Erde hinab. Der Mann hätte eigentlich zerschmettert werden müssen, doch er landete mühelos auf seinen Beinen und hielt nicht einmal inne. Er rannte nach vorn und näherte sich der kleinen Gruppe so schnell, wie Rex es nie für möglich gehalten hätte.
Er ist wirklich schnell. Auch Marco war schnell. Sind alle so?
Der Mann blieb wenige Meter vor Rex stehen. Rex spürte das ba-da-bum-bummmm in seiner Brust. So ein großartiges Gefühl! Dieser Mann gehörte zur Familie.
Der Mann war nur ein paar Zentimeter größer als Rex. Sein Kopf war kahl, seine Haut gelb und fleckig. Seine Nase war merkwürdig – ein hakenförmiges, hartes Ding, das sich nach unten wölbte und spitz zulief. Wo die Nase aus seinem Gesicht wuchs, war sie zunächst gelb, doch dieses Gelb ging bis zur scharfen Spitze immer mehr in Schwarz über. Es war eher ein Schnabel als eine Nase. Rex sah zwei kleine Öffnungen, die unter den Augen direkt über dem Schnabel lagen. Ah, das waren die Nasenlöcher.
Der kleine Mann lächelte breit. Hinter der bedrohlich gebogenen Schnabelspitze befand sich ein Maul voller winziger Stummelzähne. Wie alle anderen trug er Kleider, die Lumpen ähnelten. Sie waren schmutzig und zerrissen, und sie stanken. Sein rechter Arm hing in einer weißen Schlinge. Rex konnte
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