Die Verborgenen
wollte einfach nicht verschwinden. Er hob seine Jeans vom Boden auf. Als er hineinschlüpfte, warf er einen Blick zu seinem Schreibtisch, auf dem seine neueste Zeichnung von Alex Panos und seinen Schlägerfreunden lag.
Die Zeichnung war noch nicht fertig.
Möglicherweise konnte er sie während des Geschichtsunterrichts fertigstellen. Rex hatte das ganze Lehrbuch in der ersten Schulwoche gelesen, und er erreichte in jedem Test die volle Punktzahl. Mister Garthus war es egal, ob Rex mitarbeitete oder nicht, solange er sich ruhig verhielt. Im Augenblick hatte er keine Zeit, sein Werk abzuschließen, doch er wollte wenigstens das Symbol skizzieren. Er musste es skizzieren, und zwar sofort.
Als sein Bleistift den letzten Halbkreis des Symbols gezeichnet hatte, verschwand die Angst aus dem Traum schließlich, und Rex’ vertrautere, alltäglichere Furcht kehrte zurück. Roberta hatte unrecht: Es spielte keine Rolle, ob Rex die Schlägertypen in Ruhe ließ oder nicht – sie würden ihn quälen, egal, was er tat.
Rex schauderte. Er wollte die Schule schwänzen, doch er wagte es nicht. Gleichgültig, welche schlimmen Dinge Alex und seine Freunde mit ihm vorhatten, es war nichts im Vergleich zu dem, was Roberta tun würde, wenn sie den Gürtel in der Hose ließ und zum Kochlöffel griff.
Rex rieb über die neuen Striemen. Dann zog er die restlichen Kleider an. Er sammelte seine Bücher zusammen und packte seinen Zeichenblock und seine Bleistifte ein.
Vielleicht würde heute ein besserer Tag werden.
Die Zeichnung
B ryan öffnete die Tür des Buick, schaufelte den Stapel an Aktenheftern beiseite und setzte sich.
»Pooks, hast du diesen Müllhaufen von Wagen schon jemals sauber gemacht?«
Pookie lehnte sich zurück und gab sich verletzt. »Um Himmels willen, ist jemand heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden?«
Bryan schloss die Tür. Pookie fädelte sich in den Verkehr ein.
»Ich hatte einige ziemlich wirre Träume«, sagte Bryan. »Ich habe kaum geschlafen.«
»Das wäre eine Erklärung dafür, warum du wie die feuchte Seite eines halb eingetrockneten Hundehaufens aussiehst.«
»Vielen Dank.«
»Nicht der Rede wert. Aber ernsthaft, Junge, du siehst wirklich beschissen aus. Außerdem solltest du endlich deinen Bart stutzen. So langsam siehst du wie ein schwuler Rumtreiber aus. Für so einen Unsinn ist in meinem Leben kein Platz.«
Bryans Brustschmerzen hatten sich verändert. Zunächst waren sie stechend gewesen, doch inzwischen fühlten sie sich dumpf und hämmernd an – wie bei einem eingeklemmten Finger. Oder wie ein Knoten in seiner Wirbelsäule, der sich einfach nicht lösen wollte. Er drückte die rechte Faust gegen das Brustbein und rieb.
»Sodbrennen?«
»So ungefähr.«
»Kein Schlaf, fahl wie ein Gespenst und Schmerzen in der Brust«, sagte Pookie. »Wenn wir keinen Termin bei Chief Zou hätten, würde ich dich wieder nach Hause fahren und dafür sorgen, dass du einen Tag krankfeierst.«
Inzwischen hatte Polizeichefin Zou den vorläufigen Überblick der Kommission, die die Schießerei untersuchte, erhalten. Auch die eigentliche Untersuchung war – wie in solchen Fällen üblich – schon in die Wege geleitet worden. Doch bereits der vorläufige Überblick entschied darüber, ob Bryan weiterhin normal Dienst tun oder ihm bis zum Eintreffen des Abschlussberichts eine Arbeit am Schreibtisch zugeteilt würde.
Außerdem bestand die Möglichkeit, dass Zou ihn vorübergehend vom Dienst suspendieren würde. Die meisten Polizisten hätten sich deswegen nicht den Kopf zerbrochen. Doch die meisten Polizisten hatten auch nicht erst einen Tag zuvor ihren fünften Menschen erschossen.
»Es wird mir gleich wieder besser gehen«, sagte Bryan, doch das war eine Lüge. Sein Fieber war während der Nacht gestiegen. Sein ganzer Körper glühte. Ihm war immer noch ein wenig schwindelig, seine Nase war verklebt, und zu allem Überfluss waren die Gliederschmerzen wieder heftiger geworden. Seine Knie und seine Ellbogen, seine Hand- und Fußknöchel – eigentlich alle seine Gelenke – fühlten sich an, als wären sie mit Kies gefüllt. Das Gefühl in seinen pochenden Muskeln war anders: Es kam ihm so vor, als hätte sie jemand stundenlang mit einem Fleischklopfer bearbeitet.
»Atme mich bloß nicht an«, sagte Pookie. »Wenn du mich ansteckst, trete ich dir in die Eier. Erzähl mir von diesen wirren Träumen. Kommt eine verdorbene kleine Cheerleaderin darin vor? Nachsitzen bei einer scharfen
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