Die Verborgenen
Aushilfslehrerin? Eine ebenso schüchterne wie leidenschaftliche Nonne, die die Entscheidung für ein Leben in Keuschheit infrage stellt?«
Bryan stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen aus, das in einen kratzigen Hustenanfall überging. »Ich wollte, es wäre so. Aber die Träume waren vollkommen anders.«
»Albträume?«
Bryan nickte. »Ich habe geträumt, ich sei mit irgendwelchen anderen Typen zusammen. Ich weiß nicht, wer sie waren. Wir machten Jagd auf einen Jungen, der auf der Van Ness unterwegs war, und gleichzeitig machte etwas Jagd auf uns. Etwas wirklich Übles, das wir aber nie zu Gesicht bekamen. Dann wollten wir irgendwas mit einem alten Penner anstellen. Ich hatte immer noch eine Wahnsinnsangst, als ich aufwachte. Ich musste etwas zeichnen, das ich im Traum gesehen hatte.«
Bryan zog ein Stück Papier aus der Tasche und reichte es Pookie. Pookie betrachtete das Bild: ein unvollendetes Dreieck mit einem Kreis, der die Linien durchschnitt und an den unteren Punkten weiterging, dazu ein kleinerer Kreis in der Mitte.
»Wow«, sagte Pookie. »Dein Vater und ich sind so stolz auf dich, Schätzchen. Wir werden es auf den Kühlschrank kleben – gleich neben das Kärtchen für gutes Betragen. Was ist das?«
»Keine Ahnung.«
»Und was ist passiert, nachdem du es gezeichnet hattest?«
Bryan zuckte mit den Schultern. »Die Angst war weg. Und der größte Teil des Traums genauso. Aber ich glaube, ich kann mich erinnern, wo der Traum gespielt hat.«
»Du hast den Ort erkannt?«
»Hmm. Ich bin ziemlich sicher, es war Van Ness Ecke Fern.«
»Verrückt. Willst du nachsehen?«
Bryan schüttelte den Kopf. »Wir müssen zu Chief Zou.«
»Wir haben noch fünfzehn Minuten«, sagte Pookie. »Komm schon. Das könnte uns gutes Material für unsere Polizei-Serie bringen. Der rebellische Cop leidet unter zu viel Stress und kann den Albträumen nicht entgehen, in denen der Auftragskiller auftaucht, der ihm entwischt ist. «
»Ich habe von keinem Killer geträumt.«
»Künstlerische Freiheit«, sagte Pookie. »Komm schon, Bri-Bri, das Material könnte für eine ganze Folge reichen. Oder sogar für einen Spannungsbogen, der sich über drei Folgen hinzieht. Bist du dabei?«
Bryan erinnerte sich an das Gefühl des lauernden Todes und an die Angst, die ihm tief im Magen gesessen hatte, als er sich dem Obdachlosen von oben genähert hatte. Doch er fühlte diese Angst nicht mehr, und außerdem war alles nur ein Traum.
»Klar«, sagte er. »Sehen wir nach.«
Pookie wechselte die Spur und zog eine Woge wütenden Hupens hinter sich her. Doch wie üblich schien ihm das nichts auszumachen.
Van Ness und Fern
B ryan sah sich in der Gasse um. Sie wirkte so verdammt vertraut. Vielleicht war er schon einmal hier gewesen. Er musste schon einmal hier gewesen sein. Er konnte diesen Ort nicht nur aus seinem Traum kennen.
Pookie hob die Klappe eines zerbeulten blauen Müllcontainers und warf einen Blick hinein. Weil er nichts Interessantes darin fand, schloss er den Deckel wieder, wischte sich die Hände ab und schob seine Sonnenbrille zurecht. Dann sah auch er sich in der Gasse um. »Du hast also einen Penner bemerkt. Und dazu einen Jungen, der etwas Dunkelrotes und etwas Goldenes trug?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Bryan. »Der Junge selbst war vielleicht dunkelrot und goldfarben. Es war ein Traum, Pooks.«
»Ja, aber er ist verdammt cool. Diese Folge schreibt sich praktisch von selbst. Es kommt nur selten vor, dass jemand von einem ganz bestimmten Ort träumt, ohne dass es irgendeine reale Verbindung gibt.«
»Und du weißt das, weil du deinen Doktor in Traumologie gemacht hast.«
»Discovery Channel, Schwachkopf«, sagte Pookie. »Das Leben hat noch mehr zu bieten als Reality-TV.« Pookie zog sein Handy aus der Tasche und sah nach, wie spät es war. »Okay, wir gehen dann mal besser los. Wir dürfen zu deinem kleinen Plausch mit Chief Zou nicht zu spät kommen. Vielleicht haben die Gebrüder Steve Joe-Joe bereits gefunden. Die Steves schnappen den Killer von Ablamowicz, und wir bekommen wieder die Nachtschicht und holen uns den Maloney-Fall von Polyester-Rich zurück.«
Lanza hatte Bryan einen Namen geliefert. Joseph »Joe-Joe« Lombardi, einer der Typen, die aus New Jersey gekommen waren. Bryan und Pookie hatten die Information sofort an die Gebrüder Steve weitergegeben. Hatte dieser Mann Ablamowicz wirklich umgebracht? Bryan wusste es nicht. Aber das waren auf jeden Fall mehr Informationen, als sie noch vor
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