Die Verborgenen
festem Blick.
»Schnauze. Halt den Arm fest«, sagte Alex. »Wenn nicht, bist du der Nächste.«
Issacs Mund klappte auf. Vielleicht wollte er etwas sagen. Doch dann schloss er ihn wieder und sah nach unten.
Alex trat einen Schritt nach vorn. Seine Füße standen rechts und links von Rex’ aufgebocktem Arm. Er sah aus wie ein hoch aufragender Gott. Das blonde Haar hing herab, und ein paar Locken schimmerten im Licht der nachmittäglichen Sonne, deren Strahlen schräg durch die Äste des Baumes fielen.
»Ich muss dir eine Lektion erteilen, Rex. Ich muss dir etwas über Schmerz beibringen.«
Tränen strömten über Rex’ Gesicht. Er konnte nichts dagegen tun. »Ihr tut mir doch schon die ganze Zeit weh!«
Alex’ Lächeln war wieder da. Es wurde immer breiter. »Oh, das war doch nur ein liebevolles Tätscheln, Schwuchtel. Wahrscheinlich hat es dir sogar gefallen. Aber jetzt? Jetzt wirst du lernen, was echter Schmerz ist.«
Alex wog über zweihundert Pfund; er war größer als die meisten Lehrer. Er hob seinen in einem Springerstiefel steckenden Fuß bis auf Kniehöhe und ließ ihn über der Mitte von Rex’ Unterarm schweben. Alex lächelte und dann trat er mit aller Kraft nach unten. Rex hörte ein gedämpftes Knirschen. Dann verspürte er das merkwürdige Gefühl, als stieße ein Teil seines Arms gegen den Boden, während sich sein Ellbogen und sein Handgelenk noch immer gut fünf Zentimeter höher befanden.
Dann kam der Schmerz.
Rex sah hin, bevor er aufschrie. Sein Arm bildete ein flaches »V«, als befände sich zwischen Handgelenk und Ellbogen ein zusätzliches Gelenk. Oscar erhob sich von Rex’ Brust. Er stand einfach nur da, während seine schwarzen Locken unter seiner Mütze hervorsahen, und bildete einen Teil des Kreises, der Rex umgab und der das wenige Licht abschirmte, das durch die überhängenden Äste des Baumes fiel, sodass der verletzte Junge vollständig in Schatten getaucht dalag.
Tränen strömten über Rex’ Wangen und sein Kinn und zogen dünne Streifen durch das Blut, das sein Gesicht verschmierte. Es tat so entsetzlich weh . Sein Arm hatte einen Knick dort, wo kein Knick sein sollte.
Alex stellte seinen Fuß auf Rex’ Bauch.
»Wenn du irgendjemandem davon erzählst, bist du tot«, sagte Alex. »Es gibt in dieser Stadt hundert Orte, wo ich mich verstecken kann. Hast du das verstanden, du kleine Schwuchtel?«
Überwältigt von Schmerz, Erniedrigung und Hilflosigkeit weinte Rex einfach nur. Niemand kam ihm zu Hilfe. Es würde nie jemand kommen.
Er wollte ihnen wehtun.
Er wollte sie alle umbringen .
Ein Stiefel Größe 47 trat ihm in die Rippen.
»Ich habe gefragt, ob du mich verstanden hast, Rex?«
Rex’ von Hass und Rache erfüllte Gedanken wichen der mächtigeren und ständig gegenwärtigen Angst.
»Ja!«, schrie Rex, und eine Mischung aus Blut und Tränen spritzte von seinen Lippen wie feiner Nebel. »Ja, ich habe es gehört!«
Alex’ großer Stiefel hob sich. Rex konnte gerade noch die Augen schließen, bevor ihn der Absatz ins Gesicht traf.
Chief Zous Büro
A ls Bryan und Pookie das Büro der Polizeichefin betraten, waren bereits vier Personen anwesend. Polizeichefin Zou saß in ihrer makellosen blauen Uniform hinter ihrem Schreibtisch. Der stellvertretende Polizeichef Sean Robertson stand schräg links hinter ihr. Rechts neben ihrem Schreibtisch saßen Jesse Sharrow, der Leiter der Mordkommission, und Jennifer Wills, die stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, auf Stühlen an der Wand. Sharrows blaue Uniform war fast ebenso makellos glatt wie die von Zou; der dunkle Stoff verlieh seinen weißen Augenbrauen, seinem buschigen weißen Schnurrbart und seinen nach hinten geklatschten Haaren einen geradezu elektrischen Schimmer. Wills hatte die Beine übereinander geschlagen, wodurch ihr Rock kürzer aussah, als er war. Provozierend ließ sie einen schwarzen Pumps von ihrem ausgestreckten großen Zeh baumeln.
Zou legte keinen Wert auf eine besondere Zimmerdekoration. Der große Schreibtisch aus dunklem Holz dominierte den Raum. An den Wänden hingen ihre Auszeichnungen sowie mehrere gerahmte Bilder, die zeigten, wie Chief Zou verschiedenen Polizisten und Politikern die Hände schüttelte. Auf zwei der Fotos sah man sie mit Gouverneuren von Kalifornien – auf einem mit dem gegenwärtigen, auf dem anderen mit demjenigen vor ihrer Amtszeit. Über beiden Aufnahmen thronte das größte Bild an der Wand. Darauf schüttelte Amy Zou einem lächelnden Jason Collins, dem
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