Die Verborgenen
Schütteln.
»Clauser!«
Captain Sharrows Stimme. Blinzelnd versuchte Bryan, zu sich zu kommen.
»Clauser, das ist hier nicht der richtige Ort für ein kleines Nickerchen.«
Verdammt. Er war an seinem Schreibtisch eingeschlafen.
»Tut mir leid, Captain.«
Jesse Sharrow starrte auf ihn herab. Sein weißes Haar, seine buschigen weißen Augenbrauen und sein weißer Schnurrbart umrahmten seine grimmige Miene.
Bryan versuchte aufzustehen. Er schaffte es kaum, seinen Hintern ein paar Zentimeter anzuheben, bevor seine Muskeln erstarrten und er wieder auf seinen Stuhl zurückfiel.
»Mein Gott, Mann«, sagte Sharrow. »Wischen Sie sich um Himmels willen den Speichel vom Kinn.«
Bryan berührte seine Wange; sie war kalt und von Schleim bedeckt. Damit konnte man bei seinem Vorgesetzten wahrscheinlich nicht allzu viele Punkte sammeln. Er wischte sich das Gesicht ab.
Sharrow deutete auf einen Papierstapel auf Bryans Schreibtisch. »Lassen Sie das noch mal ausdrucken.«
Bryans Bericht war von Speichelflecken übersät.
»Tut mir leid«, sagte Bryan.
»Gehen Sie nach Hause«, sagte Sharrow. »Es war idiotisch, überhaupt hierherzukommen und all diese Bazillen mitzuschleppen. Wollen Sie, dass die ganze Abteilung dichtmacht?«
»Ich hatte nicht vor, mit jemandem auszugehen. Außer natürlich mit Ihnen, Captain.«
»Schaffen Sie Ihren Arsch hier raus, Clauser«, sagte Sharrow. »Sie sind so hässlich, dass meine Frau im Vergleich dazu richtig scharf aussieht. Und das will was heißen.«
»In der Tat.«
Sharrow knurrte und deutete mit dem Finger auf Bryans Gesicht. »Vorsicht, Clauser. Reden Sie nicht schlecht von meiner Frau.«
»Ja, Captain.«
»Im Ernst, gehen Sie nach Hause.«
»Aber Captain, ich muss noch jede Menge Papierkram für die Untersuchungskommission wegen der Schießerei …«
»Halten Sie die Klappe und verschwinden Sie. Ehrlich gesagt lege ich keinen Wert darauf, dass Sie Ihren Bericht noch einmal ausdrucken. Mailen Sie ihn mir einfach. Ich will mit nichts in Berührung kommen, das sich in Ihrer Nähe befunden hat. In zehn Minuten will ich Sie hier nicht mehr sehen.«
Sharrow drehte sich um und stürmte davon.
In den letzten vier Jahren war Bryan keinen einzigen Tag krank gewesen. Doch wenn man an seinem Schreibtisch einschlief und einem der Sabber auf die Unterlagen tropfte … vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn er nach Hause ginge. Er legte die Hände flach auf den Tisch und drückte sich hoch. Wenn seine Muskeln hätten reden können, hätten sie in diesem Augenblick einen Schwall grässlicher Obszönitäten ausgestoßen.
Ein zusammengeknüllter Zwanzigdollarschein landete auf seinem Schreibtisch.
Bryan sah hoch. Pookie hatte den Schein geworfen.
»Nimm dir ein Taxi«, sagte Pookie. »Ich fahre dich nicht.«
»Willst du keinen Kranken in deinem Auto haben?«
Pookie stieß ein angewidertes pfft aus. »Nicht deswegen. Du warst bereits in meinem Auto. Aber du hast gesagt, du würdest mit Sharrow ausgehen und nicht mit mir. Ich habe auch Gefühle, weißt du?«
»Tut mir leid.«
Pookie schüttelte den Kopf. »Männer. Ihr seid allesamt Schweine. Soll ich lieber einen Rettungswagen statt eines Taxis rufen?«
»Nein, mir geht’s gut.«
Bryan schlurfte aus dem Büro in Richtung Aufzug. Je schneller er in einem richtigen Bett zu etwas Schlaf käme, umso besser.
Robin erhält einen Anruf
E in seltener, ruhiger Abend zu Hause.
Robin nutzte die Gelegenheit, um auf ihrem Sofa zu sitzen und überhaupt nichts zu tun. Nichts außer ihre Hündin Emma hinter den Ohren zu kraulen. Emmas Kopf lag in Robins Schoß.
Eigentlich sollte Emma nicht auf dem Sofa liegen. Sie wusste das, Robin wusste das, doch keine von beiden hatte vor, etwas am augenblicklichen Zustand zu ändern. Robin war in letzter Zeit so selten zu Hause gewesen, dass sie es nicht übers Herz brachte, die fünfundsechzig Pfund schwere Deutsche Kurzhaarhündin auszuschimpfen, weil sie Robins Nähe gesucht hatte. Langsam ließ Robin Emmas schlaffe schwarze Ohren durch ihre Finger gleiten. Emma ließ ein glückliches Stöhnen vernehmen, dass dem zufriedenen Schnurren einer Katze entsprach.
Je größer Robins Verantwortung wurde, umso länger war sie in der Gerichtsmedizin. Glücklicherweise konnte ihr direkter Nachbar Max Blankenship fast immer vorbeischauen und sich um Emma kümmern, wenn Robin länger arbeiten musste. Max nahm die Hündin dann mit in seine Wohnung, wo sie mit Max’ riesigem Pitbull Billy spielte. Max war
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