Die Verborgenen
Pookie. »Dieses Graffito haben wir am Tatort gefunden.«
»Und warum glaubst du, dass es etwas mit dem Mord zu tun hat?«
»Jemand hat die Zeichnung mit dem Blut des Opfers angefertigt. Wie das hier.«
Pookie reichte ihm ein weiteres Foto, das die Worte Lang lebe der König! in tropfenden Buchstaben auf einer Backsteinwand zeigte.
John hob die Augenbrauen. »Nicht zu übersehen.«
»Kennst du das Symbol?«
John starrte die Fotos an und wartete darauf, dass sie irgendeine Erinnerung in ihm auslösten. Ein rundes Auge in einem Dreieck, das sich seinerseits in einem Kreis befand. Sein Gedächtnis blieb stumm.
Johns Hauptaufgabe innerhalb der Sondereinheit zur Bandenkriminalität bestand darin, Gangmitglieder und ihre Beziehungen zu identifizieren. Dies bedeutete, dass er mit Datenbanken arbeitete und Online-Aktivitäten – zum Beispiel den Informationsaustausch per E-Mail und in sozialen Netzwerken – analysierte. Und er beschäftigte sich mit dem vielleicht wichtigsten Nachrichtenmedium der verschiedenen Gangs, den Graffiti. Mithilfe von Graffiti ließ sich feststellen, welche Gang welchen Stadtteil kontrollierte. Was wie willkürlicher Vandalismus aussah, war oft ein komplexer Code, der einem verriet, wer in einer bestimmten Straße das Sagen hatte, wer buchstäblich auf irgendeiner Abschussliste stand und wer den Betreffenden beseitigen würde.
Seit einiger Zeit konnte John nur noch am Computer arbeiten. Vor sechs Jahren war er in den Bauch geschossen worden und hatte blutend auf der Straße gelegen, während der Schütze, ein korrupter Cop namens Blake Johansson, jeden auf Distanz hielt, der sich ihm nähern wollte. Die Ereignisse hatten bei John eine so lähmende Angst hinterlassen, dass bereits die tägliche Fahrt zur Arbeit eine Herausforderung für ihn geworden war. Wieder rauszugehen und auf der Straße Dienst zu tun kam nicht infrage.
Doch wenn hinter einem Computer zu sitzen die einzige Möglichkeit war, sich an den Ermittlungen zu beteiligen, dann würde er diese Aufgabe besser erledigen als irgendjemand sonst. Jeder in der Abteilung hatte eine feste Rolle. John kannte die seine, und er akzeptierte sie.
Wenn man ein Feigling ist, dann tut man eben, was man kann.
John schüttelte den Kopf. »Ich habe dieses Symbol noch nie gesehen. Hast du Bilder vom Opfer?«
Pookie holte noch mehr Ausdrucke aus der Akte und reichte sie ihm. Als er noch an vorderster Front im Einsatz gewesen war, hatte John viele übel zugerichtete Leichen gesehen, doch diese gehörte zu den schlimmsten. Dieser Exzess . Die Farben der Jacke des Opfers brachten ihn auf eine Idee.
»Er war in der Boys Company«, sagte John.
»Ist das eine Gang?«
John nickte. »Kleine Fische. Ein paar Jugendliche. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Galileo High in der Marina.«
»Führen die gegen irgendjemanden Krieg?«
»Nicht dass ich wüsste. Wie ich schon sagte, kleine Fische. Körperverletzung, Einbruch und ähnlicher Kleinkram. Wahrscheinlich dealen sie auch in ihrer Schule. Sie sind eher eine Art Club als eine Gang. Wenn sich die BoyCo mit einer richtigen Gang wie etwa der MS13 anlegen würde, würden sie abgeschlachtet werden.«
Pookie deutete auf das Foto. »Irgendwie entspricht das meiner Definition von abschlachten .«
»Ein Punkt für dich. Ich werde versuchen, irgendwas auszubuddeln, aber ich bin mir sicher, dass die BoyCo in keinen Bandenkrieg verwickelt ist.«
»Woher weißt du, dass er bei der BoyCo ist?«
»Die Jacke«, sagte John. »Boston College. Die Initialen sind B und C , wie bei Boys Company. So zeigen sie ihre Farben.«
»Warum nicht die Boston Celtics? Das ergäbe ebenfalls BC .«
»Grün und Schwarz sind die Farben der Latin Cobras«, sagte John. »Die Cobras und alle anderen Gangs, die auf der Seite der Cobras kämpfen, machen jeden fertig, der eine Celtics-Jacke trägt. Fast jede Gang hat eine besondere Verbindung zu einer ganz bestimmten Mannschaft, entweder bei den Farben oder bei den Initialen.«
»Wirklich reizende Fans«, sagte Pookie. »Kann ich die Frage riskieren, was passiert, wenn ich die Farben meiner geliebten Chicago Bears tragen würde?«
»Dann schlagen dich die Anhänger der Raiders zusammen, aber schlimmer dürfte es nicht werden. Ich glaube nämlich nicht, dass irgendeine Gang die Farben der Bears benutzt. Heutzutage müssen die Jugendlichen wirklich vorsichtig sein, wenn es darum geht, welche Farben sie in der Schule tragen. Es kann sein, dass du umgebracht
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