Die Verborgenen
wirst, wenn du am falschen Ort mit den falschen Farben aufkreuzt.«
Pookie nickte geistesabwesend, während er nachdachte. »Wenn es keine andere Gang war, könnte es dann ein Racheakt gewesen sein? Vielleicht hat sich die BoyCo mit dem Falschen angelegt.«
»Möglich, aber unwahrscheinlich«, sagte John. »Die unbedeutenden Gangs sind in der Regel schlau genug, nur Schwächere zu terrorisieren. Ihre Opfer sind andere Jugendliche, die selbst in keiner Gang sind und auch keine Verbindung zu Mitgliedern anderer Gangs haben. Und die weder in der Ringer- noch in der Footballmannschaft der Schule sind. Die überhaupt nichts in dieser Richtung vorzuweisen haben.«
»Und was ist mit Lang lebe der König? Könnte sich das auf den Namen beziehen, den irgendein Typ auf der Straße trägt?«
Wieder zuckte John mit den Schultern. »Mag sein, aber da klingelt nichts bei mir. Vielleicht ist ein neuer Mitspieler aufgetaucht. Sehen wir uns doch mal die Akte der Boy-Co an.«
John drehte sich zu seinem Computer um und rief seine Datenbank auf. Die entsprechende Datei umfasste Hunderte von Ordnern – einen für jede Gang, die in der Bay Area aktiv war. Manche von ihnen, wie die MS13 oder die Norteños , bedeuteten ernsthaft schlechte Nachrichten, denn diese Gangs waren national und sogar international vernetzt. Andere waren zwar nur lokal aktiv, aber sie waren genauso gefährlich, wie zum Beispiel Westmob und Big Block in Hunters Point; die 14K-Triade und die Wah Ching in Chinatown; die Jackson Street Boys in der ganzen Stadt; oder Knock Out Posse und Eddy Rock in der Western Addition.
John klickte den Eintrag für die BoyCo an. Eine Datei mit vier Fotos öffnete sich.
Pookie sah über Johns Schulter. »Nur vier Kids?«
»Das sind jedenfalls alle, die wir kennen. Oscar Woody, Jay Parlar, Issac Moses und Alex Panos, der Anführer.«
»Vier Jugendliche bedeuten bereits eine Gang?«
John zuckte mit den Schultern. »Wie ich schon sagte: Es ist eigentlich eher ein Club. Eine Ansammlung von Schlägertypen. Wir haben sie kaum auf dem Schirm.«
Pookie zog ein weiteres Foto aus der Akte. Es war eine besonders grässliche Aufnahme, die den ganzen Körper Oscar Woodys zeigte: die ausgefranste Schulterwunde, den aufgerissenen Bauch, das Gesicht, auf das so heftig eingeschlagen worden war, das es kaum noch menschlich aussah.
»Hier geht’s nicht um irgendeinen Überfall«, sagte Pookie. »Die Verstümmelung, die Schrift an der Wand – da wollte jemand eine Botschaft loswerden. Bist du sicher, dass das nicht die MS13 war? Schneiden die ihren Opfern nicht auch irgendwelche Körperteile ab?«
»Ja, zum Beispiel die Hände und den Kopf«, sagte John. »Aber die MS13 benutzen Macheten. Sieh dir die Leiche des Jungen an, Pooks. An ihm hat niemand herumgeschnitten. Er wurde zerrissen .«
»Könnte es eine neue Gang sein? Und was ist mit diesem Symbol aus Blut?«
»Damit fangen wir an. Ich werde es einscannen, und dann sehen wir uns mal an, was der Computer dazu sagt.«
John scannte die beiden Fotos ein, öffnete sie auf seinem Computer und stellte eine Verbindung zum Regional Information Sharing System her. RISS koordinierte Daten zu Gangs in ganz Amerika; dazu gehörten Informationen über Verdächtige, Organisationsformen und Waffen sowie Fotos von Mitgliedern, Symbolen und Graffiti der einzelnen Gangs.
»Huch«, sagte Pookie. »Ich dachte, das Internet benutzt man, wenn man Pornos sucht.«
»Oh, nein«, sagte John. »Wir sehen uns hier keine Pornos an, Pooks. Es gibt Filter, und wenn man erwischt wird …«
»Das war ein Witz«, sagte Pookie. »Mann, du hast dich überhaupt nicht verändert.«
John seufzte. Selbst als die beiden noch Partner gewesen waren, hatte er Pookies Humor nur halb verstanden. »Wie auch immer. Die RISS -Software identifiziert entscheidende Merkmale etwa so wie bei einem Fingerabdruck. Sie misst den Neigungswinkel der Bögen und die relative Breite und Länge der Linien. Dabei zerlegt sie einzelne Abschnitte eines Symbols in Hunderte von Minisymbolen. Danach wird ein Abgleich mit dem bereits in der Datenbank vorhandenen Material durchgeführt, um eine teilweise oder vollständige Übereinstimmung zu finden.«
»Sag bloß, das funktioniert tatsächlich.«
John nickte. »O ja. Es ist faszinierend. Das Programm erstellt die grafischen Profile individueller Künstler. Das jeweilige Profil ist dabei so genau, dass wir sogar den echten Künstler von einem Imitator unterscheiden können.«
Der Computer gab ein
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