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Die Verborgenen

Die Verborgenen

Titel: Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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sie herausfand, dass er sich einen runtergeholt hatte? Er würde den Kochlöffel zu spüren bekommen, das war sicher. Er steckte in Schwierigkeiten, in größten Schwierigkeiten . Die Überreste seines Gipsverbands kamen in den Papierkorb. Er konnte den Müll morgens rausbringen, während sich Roberta die Frühnachrichten im Fernsehen ansah. Er zog einige Papiertaschentücher aus einer Schachtel Kleenex und wischte das Bild sauber. Einige Bleistiftstriche wurden undeutlich und verschmierten. Würde Roberta wissen, was das bedeutete? Wahrscheinlich nicht. Sie sah sich seine Bilder ohnehin nie an.
    Doch der Gipsverband war so teuer gewesen. Roberta würde durchdrehen, wenn sie sah, dass er ihn kaputtgemacht hatte. Rex blickte sich in seinem Zimmer um. Alles schien sich an Ort und Stelle zu befinden. Nichts schien dort zu stehen oder zu liegen, wo es nicht hingehörte. Manchmal kam Roberta tagelang nicht herein. Manchmal ging Rex gar nicht erst nach Hause, sondern schlief im Park. Einmal war er zwei Nächte hintereinander weggeblieben, ohne dass sie es bemerkt hatte.
    Vielleicht konnte er das ja wieder tun. Er konnte sich im Park oder sonst irgendwo verstecken. Und in ein paar Tagen könnte er ihr dann vielleicht sagen, dass der Gips einfach abgefallen wäre.
    Rex wischte sich die Nase ab. Er kroch ins Bett und zog die Laken eng um sich. Er hätte diese hässliche Sache nicht tun sollen, aber jetzt fühlte er sich besser. Er hatte sie sich irgendwie vom Hals geschafft. Sich Jays Tod vorzustellen und sich dabei einen runterzuholen, war eine einmalige Sache. Es war schlimm, aber er würde es nie wieder tun.
    Nie.
    Und doch blieb die Frage: Was war, wenn Roberta es herausfand?
    Rex hielt plötzlich den Atem an. Er starrte zur Decke des Zimmers hoch, ohne sie zu sehen. Ein Gedanke, so neu, so schockierend, so … revolutionär … schoss ihm durch den Kopf, packte ihn und ließ ihn nicht mehr los.
    Nicht: Was, wenn Roberta es herausfand? Sondern: Was soll’s, wenn Roberta es herausfand? Was soll’s?
    Pater Paul Maloney.
    Oscar Woody.
    Beide hatten Rex wehgetan. Rex hatte sie gezeichnet, und jetzt waren sie tot. Roberta tat Rex die ganze Zeit weh … er konnte auch sie zeichnen.
    Vielleicht musste Rex keine Angst mehr haben.
    Heute Nacht hatte er Jay Parlar gezeichnet. Würde Jay morgen noch am Leben sein?
    Rex schloss die Augen, und als er einschlief, lag ein Lächeln auf seinen Lippen.

Bryan überlässt Pookie das Reden
    D ie siebenundsechzig Jahre alte Tiffany Hine sah keinen Tag älter als sechsundsechzigeinhalb aus. Bryan dachte, dass ihr Apartment genauso roch, wie er sich den Geruch der Wohnung einer alten Dame vorgestellt hatte: nach alten Veilchen, Babypuder und Medizin. Sie hatte eine hohe, leise Stimme und krauses Silberhaar, dessen große Zeit längst vorüber war. Sie trug einen Hausmantel mit gelbem Blumenmuster und rosa Hausschuhe. Ihr Blick war klar und konzentriert, und ihre Augen schienen jeden Unfug zu durchschauen, den ihr ein Kind (oder ein Enkel) möglicherweise auftischen wollte. Die Augen waren von tiefen Lachfalten umzogen, doch jetzt verrieten die Falten in ihrem Gesicht echte Angst.
    Sie war alt, aber sie sah geistig wach aus. Sie sah geistig gesund aus, jedenfalls wollte Bryan das unbedingt glauben.
    Pookie und Tiffany saßen nebeneinander auf dem mit einer Plastikfolie überzogenen Sofa. Bryan stand daneben und sah aus dem Wohnzimmerfenster hinab auf die Geary Street – und über die Straße hinweg zu dem Van, auf dem Jay Parlar gestorben war. Das Brennen in seinem Magen war so stark, dass er sich fast zusammengekrümmt hätte, und sein Kopf schien so heftig zu schwimmen, dass er sich an der Wand abstützen musste, um nicht hin und her zu schwanken. Meistens war es ohnehin besser, Pookie das Reden zu überlassen, doch jetzt war es geradezu eine Notwendigkeit.
    »Beginnen Sie einfach ganz von vorn, Ma’am«, sagte Pookie.
    »Ich habe das alles schon dem anderen Mann gesagt, dem Mann mit der Uniform«, erwiderte Tiffany. »Sie haben keine Uniform. Und ich darf vielleicht hinzufügen, dass es an der Zeit wäre, sich ein neues Jackett zu besorgen, junger Mann. Was Sie da tragen, hat vor etwa zwanzig Pfund aufgehört, Ihnen zu passen.«
    Pookie lächelte. »Ich bin Inspektor bei der Mordkommission, Ma’am. Wir tragen keine Uniformen. Aber ich esse jede Menge Donuts, was man mir anscheinend ansieht.«
    Sie lächelte. Das Lächeln war echt, wenn auch halbherzig und ein wenig schal. Was sie gesehen

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