Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
bestimmt etwas im Archiv, aber wenn Sie etwas Konkretes wissen wollen, fragen Sie am besten gleich mich. Nicht, dass ich prahlen wollte, aber man sagt, mein Wissen über die Geschichte der katholischen Kirche in Papua suche seinesgleichen.«
»Das habe ich mir schon gedacht, und darauf werde ich sicherlich noch zurückgreifen, aber zunächst würde ich gerne mal einen Blick ins Archiv werfen. Das ist doch kein Problem, oder?«
»Selbstverständlich nicht.« Er legte den Zeigefinger auf die Unterlippe und beugte sich vor. »Lassen Sie mich einen Vorschlag machen. Einen Nachmittag verbringen wir beide gemeinsam im Archiv. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich gleich an mich zu wenden, sollten Fragen auftauchen. Was halten Sie davon?«
Katja war enttäuscht, wie wenig vom Archiv des Konvents erhalten geblieben war. Sie hatte Reuters Angebot angenommen und sich mit ihm gleich für den kommenden Tag verabredet.
»Ich dachte, Sie wüssten bereits vom Ausmaß der Verwüstungen, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat. Tut mir leid, wenn ich falsche Hoffnungen in Ihnen geweckt haben sollte«, sagte der Pfarrer und wirkte zerknirscht.
Katja winkte ab. »Schon gut, es ist ja nicht Ihre Schuld.«
Reuter dirigierte sie zu einem Regal, das zur Hälfte mit Kartons gefüllt war. Er fuhr mit dem Finger an den Beschriftungen entlang. Jahreszahlen. Er hielt inne, nahm drei Kartons aus dem Regal und stellte sie auf den Tisch in der Mitte des Raumes.
»Das wäre es. Unsere Unterlagen für die Jahre, in denen Phebe das Waisenhaus geleitet hat.«
Reuter setzte sich neben sie, doch als sie nach einer Stunde noch keine Frage an ihn gerichtet hatte, entschuldigte er sich. Auf diesen Moment hatte Katja gewartet.
Sie zog einen Hefter mit der Aufschrift »Bischof Couppé« aus ihrem Stapel, den sie schon vor einer halben Stunde entdeckt und unter ihren Papieren versteckt hatte. Sie schlug ihn auf. Schnell durchpflügte sie Seite für Seite, bis sie auf einen Umschlag stieß, der sie innehalten ließ. Jemand hatte auf die Vorderseite »Emma« geschrieben. Sie lauschte mit klopfendem Herzen, ob sich jemand näherte, und als sie sich sicher fühlte, öffnete sie aufgeregt den Umschlag und entnahm ihm eine Serie von fünf Briefen, die Emma an den Bischof gerichtet hatte. Aus dem Ton ging deutlich hervor, dass die beiden einander gut kannten.
Der letzte Brief war auf 1911 datiert und hatte eine beachtliche Länge von fünf Seiten. Er enthielt jede Menge Anweisungen an den Bischof für die Zeit, in der Emma Papua verlassen und nach Europa reisen würde. Ungefähr in der Mitte des Briefes entdeckte Katja zu ihrer Überraschung einen Absatz, der sie kurz die Luft anhalten ließ. Mehrfach überflog sie die Zeilen, konnte kaum glauben, was sie da gerade las. Ihre Augen lösten sich vom Brief, und sie starrte gedankenverloren an die schmucklose Wand ihr gegenüber. Sie ließ den Brief sinken und fuhr sich mit den Händen über die Schläfen. Mein Gott. Wenn dieser Brief echt war, dann …
Katja hörte Stimmen, die näher kamen. War das Reuter? Zitternd faltete sie die Seiten zusammen und steckte vier davon eilig in den Umschlag zurück. Die fünfte ließ sie in ihrer Tasche verschwinden. Dann ordnete sie die Unterlagen wieder in den Hefter ein, verstaute die Dokumente in den Kartons und stellte sie zurück ins Regal.
Ihr Herz schlug gefährlich schnell. Sie war viel zu aufgewühlt, um eine Begegnung mit Reuter zu riskieren, dem sie dann etwas hätte vorspielen müssen. Sie entschied sich, ihm eine schriftliche Nachricht zu hinterlegen, in der sie sich für seine Hilfe bedankte. Eilig verließ sie das Archiv. Sobald sie das Gebäude verlassen hatte, zwang sie sich zur Ruhe, um vor Aufregung nicht in Laufschritt zu verfallen. Wenn Reuter in seinem Büro war, konnte er sie von dort aus beobachten. Katja durfte nicht riskieren, seinen Verdacht zu wecken.
Brief von Martin Kiehl an seine Mutter Johanna Hunter,
datiert auf den 15. 09. 1939,
Phebe-Parkinson-Archiv, Archivnummer 033
Liebe Mutter,
all unsere Befürchtungen scheinen sich bewahrheitet zu haben. Der Krieg ist ausgebrochen. Wohin ich auch gehe, überall sehe ich Männer, die sich als Freiwillige zur Army melden, und ich betrachte es als meine Pflicht, es ihnen gleichzutun. Ich bin mir sicher, Du verstehst meinen Schritt. Es erfüllt mich mit Stolz, in Dads Fußstapfen treten zu können. Er hat uns beiden nie viel von seinen Kriegserfahrungen in Europa erzählt, aber wir beide wissen,
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