Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
eigentlich dazu entschließen, einen Haus Boi einzustellen?«, fragte Takari jetzt. »Ich an Ihrer Stelle würde mir außerdem noch eine Köchin zulegen. Einen Take-away gibt’s in der Gegend ja nicht.« Katja warf ihm einen gespielt erbosten Blick zu. Ihre Angst vor Überfällen war zwar nach wie vor vorhanden, aber deshalb Dienstpersonal einzustellen, erschien ihr nicht richtig. Takari nahm eine Hand vom Steuer und hob sie über seinen Kopf.
»Okay, okay. Ich habe verstanden. Sie wollen weder das eine noch das andere.«
»Richtig. Und ob Sie es glauben oder nicht, ich kann Wasser ohne fremde Hilfe bis zum Siedepunkt erhitzen.« Sie öffnete die Beifahrertür und stieg aus. »Seien Sie mir bitte nicht böse, ich weiß Ihre Fürsorge durchaus zu schätzen, aber ich hab noch nie einen Haus Boi gehabt und werde bestimmt auch in Zukunft ohne Haushaltshilfe zurechtkommen. Da halte ich es lieber noch eine Weile mit Ihnen als Beschützer aus.«
Das war nur die halbe Wahrheit. In der Villa ihrer Eltern hatte es immer reichlich Personal gegeben. Ein von Beringsen machte sich im eigenen Haus nicht die Hände schmutzig. Wozu auch? Dazu gab es ja anderswo reichlich Gelegenheit. Zum Beispiel in der eigenen Firma, dachte Katja bitter. Es lag an dieser Arroganz und dem Dünkel ihrer Familie, weshalb es ihr so viel bedeutete, anders zu leben.
Ein Alptraum ließ sie mitten in der Nacht hochschrecken. Von den Bildern verstört, wischte Katja sich über die feuchte Stirn, schwang dann die Füße über die Bettkante. Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar und schüttelte den Kopf, als könnte sie so die Wirrnis ihres Traums abschütteln. Schließlich stand sie auf und ging zur Kommode hinüber, wo sie Johannas Bilder aufbewahrte. Sie entrollte das Teufelsbild und schaute es lange an. Der Mann auf dem Gemälde war außer sich vor Rage. Ein unnatürlich starker Ausdruck von Hass und Wut lag in seinen verzerrten Gesichtszügen. Und dann diese geheimnisvollen Zeilen: Wie viel Hass kann ein Mensch in sich tragen? Das Böse begann hier …
Katja betrachtete die grüne Figur im Bild in allen Einzelheiten. Der Farbton, die Krümmung des Schnabels, die Größe, die Kerben auf den Schultern. Es gab keinen Zweifel. Es war Großvater Alberts Vogelmann. Dann musste der Mann auf dem Bild Heinrich von Beringsen sein. Ihr Großvater hatte es ihr ja selbst noch einmal bestätigt. Sein Vater Heinrich war böse, sogar einen Teufel hatte er ihn genannt. Katja glaubte nicht, dass dies Zufall war. Es schien ihrem Großvater wichtig zu sein, sich von seinem Vater zu distanzieren, und doch fühlte Katja, dass sie nur einen Teil der Geschichte kannte.
Am nächsten Morgen fuhr sie mit Takari nach Rabaul. Bevor sie sich wieder in die Arbeit im Krankenhaus stürzte, wollte sie in der lokalen Bücherei über das Baining-Massaker von 1904 recherchieren. Dieses Ereignis hatte das Ende von Johannas Tagebucheintragungen markiert, und Katja suchte nach irgendwelchen Anknüpfungspunkten und Zusammenhängen, seien sie auch noch so vage. Sie verbrachte den Tag mit einem Stapel Hängeordner, die ihr eine schlecht gelaunte Angestellte aus einem zerkratzten Aktenschrank zusammengestellt und auf einen fahrbaren Handwagen geworfen hatte. Katja war es aus ihr unverständlichen Gründen untersagt, sich im Schrank selbst zu bedienen. Jedes Mal, wenn die Bibliotheksgehilfin eine Lade zuknallte und eine weitere mit einem metallischen Kreischen öffnete, schreckte Katja zusammen. Dennoch bedankte sie sich für die Hilfe, was die Papua mit einem kaum merklichen Nicken registrierte. Katja schob den quietschenden Wagen an einen Tisch in Nähe des Ventilators. Die Hitze war erdrückend, eine Klimaanlage gab es nicht.
Jetzt sah Katja auf die Uhr. Zehn vor vier. Die Bücherei schloss um sechzehn Uhr. Sie hatte einen Großteil der vergilbten Dokumente durchgesehen. Ihre Augen schmerzten, und der Magen knurrte. Sie legte die Hängeordner zurück auf den Wagen und schob ihn zur Rückgabe. Sie verließ das Gebäude, überquerte die Straße und ging zu einem Imbiss drei Häuser weiter die Straße hinunter. Erschöpft ließ sie sich auf den Hocker an der Theke sinken, bestellte einen Kaffee und eine Portion gebratenen Reis. Sie spürte die Blicke der einheimischen Männer, doch sie war viel zu müde, als dass sie dies weiter kümmerte. Sollten sie ruhig glotzen, wenn es ihnen Freude bereitete.
Es war jetzt Viertel nach vier. In einer halben Stunde würde Takari sie abholen. Bis
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