Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
den Gesichtern sah, klatschte er zweimal in die Hände. »Worauf wartet ihr noch? Kuchen und Tee? Los jetzt.« Aus den hinteren Reihen hörte er ein paar böse Worte, doch das steckte Martin kommentarlos weg. Die Stärke dieser Armee lag in der Loyalität, die diese Männer füreinander empfanden. Mateship nannten sie diese tief empfundene Freundschaft, und kein Einziger in seiner Truppe ließ darauf etwas kommen. Der Zusammenhalt unter seinen Leuten war also nicht das Problem. Martins Befürchtung war vielmehr, dass in Zukunft ein guter Kumpel nicht mehr reichen würde, um am Leben zu bleiben.
Nach Bills Tod hatte seine Mutter ihn für ein paar Tage in Brisbane besucht, bevor sie nach Kokopo aufbrach, um Miti wiederzusehen. Sein Magen zog sich jedes Mal zusammen, wenn er daran dachte, dass seine Mutter nun im japanisch besetzten Teil Papuas lebte. Er wollte sich lieber nicht im Detail ausmalen, was passieren könnte, wenn Johanna in die Hände des Feindes fiel. Denk positiv!, ermahnte er sich zum wiederholten Mal, denk an den Sieg!
Verstohlen blickte er hinter sich.
»Los, Kumpel, lass uns weiterrutschen!«, sagte Jim und stieß ihm mit der Faust aufmunternd in den Rücken. Martin lächelte gequält. Jeder einzelne Knochen in seinem Körper schmerzte. Er setzte sich wieder in Bewegung; Jim und die anderen folgten ihm über den steilen, vom Regen aufgeweichten Pfad, der sie zum Gipfel führte. Es dauerte länger als geplant, bis sie ihn endlich erreichten.
Aus irgendeinem Grund hatte Martin erwartet, dass dort oben als Belohnung für die Mühsal des Aufstiegs eine sattgrüne Ebene wartete, auf der sie sich’s ein Weilchen bequem machen könnten, doch stattdessen markierte die schlammige Anhöhe nichts weiter als den höchsten Punkt ihrer Strecke. Einige der Greenhorns in seiner Truppe scherzten erleichtert, doch Martin wusste, dass der Abstieg in solch schwierigem Terrain um ein Vielfaches härter und gefährlicher war als der Aufstieg. Man konnte sehr leicht ausrutschen, und ein Sturz nach unten war kaum zu bremsen.
In dieser Nacht hörten sie in einiger Entfernung Gefechtsfeuer. Martin lag auf dem Rücken, versuchte trotz der beunruhigenden Geräusche Schlaf zu finden. Irgendwann verfiel er in ein unruhiges Dösen, doch dann fing es wieder an zu regnen. Das Fallen der Tropfen überlagerte die anderen Geräusche, der Feind konnte ungehört näher kommen.
Wie gewöhnlich packten sie ihr Camp noch vor dem ersten Morgenlicht zusammen, als der Spähtrupp meldete, dass es weiter vorne Bewegung im Busch gab. Innerhalb von Sekunden waren sie ohne Ausnahme kampfbereit. Das Bren-Maschinengewehr wurde aufgestellt, die schützende Regenplane mit einer Handbewegung weggerissen. Die Situation schien aus Martins Perspektive ungewöhnlich. Er hatte noch nie gehört, geschweige denn selbst erlebt, dass die Japaner ihnen Gelegenheit gegeben hätten, sich auf einen Angriff vorzubereiten.
Der dämmernde Morgen machte dann endlich für jeden sichtbar, was genau die Späher zuvor entdeckt hatten. Eine Prozession von Einheimischen kam ihnen in aller Seelenruhe entgegen. Die Papua winkten. Wahrscheinlich wollten sie sichergehen, nicht für den Feind gehalten zu werden. Zwischen den Stammesmännern entdeckte Martin drei oder vier australische Soldaten, denen wiederum Einheimische folgten, die Bahren trugen. Ein kollektives Aufatmen ging durch Martins Leute. Es waren nur die Fuzzies. Die Australier hatten ihren einheimischen Helfern einen Spitznamen gegeben und nannten sie Fuzzy Wuzzy Angels oder kurz Fuzzies. Ob diese sogenannten Engel mit den Wuschelköpfen den Australiern aus freien Stücken halfen oder ob sie dazu gezwungen worden waren, wusste Martin nicht. Es war jedoch klar, dass viele von ihnen ihr Bestes gaben, um ihn und seine Leute im Kampf gegen die Japaner zu unterstützen. Auch wenn es für die ersten Soldaten ein ziemlicher Schock gewesen sein musste, von den seltsamen Gestalten gepflegt zu werden. Die Papua sahen unheimlich aus mit ihren Nasenknochen, dem traditionellen Kopfschmuck und der rotgelben Farbe im Gesicht, die sie allerdings nur im Camp auftrugen. Im Dschungel wären sie mit dem grellen Schmuck zur leichten Beute geworden. Die Verletzten verstanden natürlich keine Silbe von dem, was die Engel untereinander besprachen. Möglich, dass die Wilden sich nur darum stritten, auf welche Weise man die weißen Männer am schmackhaftesten zubereiten könnte. Auch wenn die Australier nicht viel über die
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