Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Ludwig nach unserer Heirat leben werde, doch immerhin in Herbertshöhe. Wie mir Ludwig auseinandergesetzt hat, wurde der Ort erst vor zehn Jahren gegründet und ist der Hauptsitz der »Neuguinea-Kompagnie« und auch der deutschen Verwaltungsbehörden. Mir rauscht noch immer der Kopf von der Aufregung der Ankunft und auch von all dem Neuen und Fremden. Ludwig hat mich so vielen Leuten vorgestellt, dass ich mir am Ende kaum mehr einen Namen merken konnte. Doch alle waren sehr lieb und herzlich, und ich bin den ganzen Tag über aus dem Plaudern nicht mehr herausgekommen. Der Gouverneur von Bennigsen, Richter Dr. Hahl, die Parkinsons, die Kolbes … zu ihnen allen raunte Ludwig mir in unbeobachteten Momenten kurze Bemerkungen zu. Etwa die, dass Dr. Hahl wohl nach Bennigsen zum nächsten Gouverneur ernannt wird, dass die Parkinsons eine einflussreiche Familie sind und Emma Kolbe eine Frau von sagenhaftem Reichtum ist. Phebe Parkinson und Emma Kolbe sind Schwestern. Beide haben einen Deutschen geheiratet. Ob das Zufall ist? Oder genießen die deutschen Männer der Kolonie wohl einen besonders guten Ruf?
Fast allen diesen Personen musste ich im Lauf des Tages versprechen, demnächst einen Antrittsbesuch abzustatten, um mich näher bekannt zu machen. Man sei, so habe ich es aus mehr als einem Mund gehört, ein überaus soziales Häuflein auf dieser abgeschiedenen Insel.
Auf Einladung von Paul Lücker, dem Lagerverwalter der Neuguinea-Kompagnie, haben wir den Abend und die Nacht in Herbertshöhe verbracht. Das Haus ist prächtig, luftig und kühl gebaut, so dass ich die Hitze kaum bemerkte, die gegen Mittag aufgekommen war. Das Abendessen war ein Genuss, besonders im Vergleich zur grausigen Schiffskost. Es gab Fisch und Fleisch, dazu ein frisches Gemüse, das ich nicht kannte, das aber ähnlich wie Kartoffeln schmeckt. Dazu tranken wir überraschenderweise ein herrliches Münchener Hofbräu. Als wir dann zum Kaffee auf der Veranda saßen, flog der prächtigste Vogel an uns vorbei, den ich je gesehen habe. Er hatte kunterbunte Schwanzfedern, die bestimmt eine Elle lang waren. Lücker sagte, das sei ein besonders hübsches Exemplar des hiesigen Paradiesvogels. Ich bin jetzt noch ganz verzückt!
Mein erster Tag mit Ludwig war wunderbar. Im Nachhinein verstehe ich meine Befürchtungen gar nicht mehr. Ludwig ist freundlich und zuvorkommend. Er scheint in der Kolonie beliebt zu sein. Wir haben uns wunderbar unterhalten, und er beantwortet geduldig alle Fragen, die ich ihm in einem fort über meine neue Heimat stelle. Ich danke dem Herrgott, dass er mich zu Ludwig geführt hat. Wir werden uns bestimmt lieb haben. Darum bete ich. Wann er mich wohl fragt?
Auszüge aus dem Tagebuch von Johanna Schubach,
Eintrag vom 8. Juni 1902, Kopie,
Phebe-Parkinson-Archiv, Archivnummer 014
Von Herbertshöhe bis nach Raluana ist es eine gute Stunde mit dem Boot die Küste entlang. Es gibt auch einen Fuß- und Reitweg, aber der ist noch nicht ganz fertig, und mit all dem Gepäck, das ich aus Deutschland mitgebracht habe, war der Transport mit dem Ruderboot die beste Lösung.
Als das Boot am Steg festmachte, sah ich schon die kleine Missionskirche. Ein einfacher Bau wie eine Hütte, bestehend aus einem Holzgerüst auf Pfählen, mit Matten umkleidet und mit getrocknetem Gras gedeckt. Vor dem hohen Eingang steckt ein großes Holzkreuz – beinahe so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Raluana besteht aus den drei Häusern der Missionare und der Schule. Schräg dahinter befindet sich eine kleine Siedlung. Ein paar grasgedeckte Pfahlhütten, der Kirche nicht unähnlich. Das Dorf der Einheimischen.
Eine Gruppe von Krausköpfen kam auf uns zu, um uns zu begrüßen. Die Frauen trugen europäische Kleidung, schlichte Baumwollkleider, die Männer hingegen den mir nun schon bekannten Lap-Lap , wie der wadenlange Wickelrock genannt wird. Ein besonders dunkler Kerl blieb gleich vor mir stehen und fing an, in seiner Sprache auf mich einzureden. Ich habe natürlich kein Wort verstanden! Die Rheinische Mission in Wuppertal hat mich zwar auf die Einheimischen vorbereitet. Aber ich muss schon sagen, dass es doch etwas anderes ist, halbnackte Männer nur auf einem Foto zu sehen. Wenn sie dann plötzlich leibhaftig vor einem stehen, schreckt es einen doch ein wenig. Obwohl sie mir eigentlich nicht gefährlich vorkamen und Ludwig dabei war, bin ich doch erst einmal einen Schritt zurückgewichen. Der da so auf mich einredete, heißt Gumbo, er ist Ludwigs Schüler und
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