Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
verstanden?« Phebes Atem ging schnell, sie antwortete nicht. »Ist das klar?«, schrie er ihr ins Ohr und schüttelte sie. »Sag, wer außer dir weiß davon?«
»Niemand«, stammelte Phebe.
Heinrich schlug ihr ins Gesicht. »Wer?«
Phebe zitterte am ganzen Körper.
»Bibi, wir haben dich als einen der unseren aufgezogen. Jeder hier glaubt, dass du unser Kind bist.«
»Wer?« Er drückte sie an die Wand und schlug sie wieder. Blut lief ihr aus der Nase. Er schlug ihren Kopf gegen die Wand und ließ sie abrupt los. Wimmernd sackte Phebe in sich zusammen; schief gegen die Wand gelehnt, saß sie am Boden und weinte.
Heinrich wütete durchs Haus, riss Schubladen und Schranktüren auf. Ihren Inhalt kippte er auf den Boden, wühlte wild darin herum. Dann öffnete er Phebes Nähkästchen, schüttete es aus und warf es in die Ecke. Ein paar Briefe schaukelten wie Blätter zu Heinrichs Füßen. Er bückte sich, hob sie auf. Ein Blick auf den Absender genügte ihm.
»Natürlich. Jo. Sie wird davon wissen. War sie nicht deine beste Freundin?« Er stand auf und ging auf Phebe zu. Als er vor ihr in die Hocke ging, die Briefe in der Hand, schluchzte sie auf.
»Ja«, gab sie zu. »Johanna weiß es. Sie ist die Einzige.«
»Und warum sollte ich dir das glauben?« Seine Rechte hatte sich zur Faust geballt.
»Weil der Ehemann dieser armen Frau dein Vater war.«
Auszug aus einem Brief von Emma Kolbe an
Bischof Couppé, datiert auf den 23. Juli 1911,
Archiv der Missionsstation von Vunapope
(…) Wir haben einander im Laufe der Jahre gut kennengelernt und über vieles leidenschaftlich diskutiert. Am Ende hat keiner von uns je seine Ansichten geändert. Ich glaube nicht an Ihren Gott, und Sie glauben, dass ich dafür wahrscheinlich in der Hölle lande. Ich werde unsere Debatten vermissen, sie haben meinen Geist angeregt (wenn auch fast ausschließlich zum Widerspruch).
Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, wollten Sie wissen, warum ich Bibi mitnehme. Ehrlich gesagt, hätte ich es gerne gesehen, wenn Sie diesbezüglich schon etwas früher Interesse gezeigt hätten. Meiner Ansicht nach trägt Ihre Kirche nämlich eine gewisse Verantwortung, was die Probleme mit diesem Jungen betrifft.
Erinnern Sie sich noch daran, welche Erklärung Sie dafür zu hören bekamen, dass man nach dem Massaker Bibi zusammen mit Pho und Ludwig Kiehl gefunden hat? Geschätzter Freund, im Vertrauen darauf, dass Sie das Geheimnis einer Freundin wahren können, sollen Sie jetzt, kurz vor meiner Abreise, die ganze Wahrheit erfahren. Betrachten Sie es von mir aus als eine Art Beichte.
Ich beginne mit dem bedauernswerten Ludwig Kiehl. Ich mochte den Mann, obwohl ich nie verstanden habe, weshalb ein kluger Kopf wie er seine Zeit und Kraft damit verschwendet, mit euch Katholiken in diesen unsinnigen Wettstreit um ein paar arme Seelen zu treten. Am Ende hat es ihn das Leben gekostet. Ob es das wert war?
Ludwig Kiehl hatte eine Affäre mit meiner Nichte Pho. Das mag Sie nun schockieren oder auch nicht. Der Pastor war ja bekanntlich nicht der einzige Europäer, der Wasser gepredigt und Wein getrunken hat. Und Sie kannten Pho: Sie war nicht nur bildhübsch, sondern auch klug. Sie wollte studieren und einen Mann finden, mit dem sie ein angenehmes Leben führen könnte. In gewisser Weise eiferte sie mir nach, und ich kann daran nichts Schlechtes finden.
Kiehl war also letztlich nicht die Art von Mann, den meine Nichte suchte. Und das nicht, weil er verheiratet war. Doch Pho wurde von ihm schwanger. Dieses Kind hätte ihre ehrgeizigen Pläne zerstört. Was es mit der Ehe und der Karriere von Kiehl angerichtet hätte, erklärt sich Ihnen als Mann der Kirche wohl von selbst.
Wir beschlossen daher, Pho für eine gewisse Zeit auf eine der Inseln zu schicken, wo sich Richard wegen seiner wissenschaftlichen Arbeit regelmäßig aufhielt und wo ihn Phebe des Öfteren besuchte. Phebe war damals schon recht rundlich, trug immer weite Kleider, es war also ein Leichtes, alle zu täuschen. Sie kehrte eines Tages von der Insel zurück, mit einem Baby im Arm, das sie als das ihre ausgab. Niemand stellte Fragen.
Pho schob das geplante Studium allerdings zunächst auf, um in der Nähe ihres Sohnes zu bleiben. Die Geschichte mit Kiehl lebte wieder auf und dauerte auch noch an, als seine zweite Frau Johanna hier auftauchte. Wer hätte es der Armen schon sagen sollen?
Kiehl und Pho trafen sich unregelmäßig an abgeschiedenen Orten. Manchmal begleitete sie Bibi. Im August 1904
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