Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Hand. Wenn sich in der Zeit seiner Abwesenheit nichts geändert hatte, müssten sich die Rechnungsbücher der Plantage nach wie vor in einer dieser Laden hier befinden. Mit schnellen Fingern durchwühlte er Papiere, nahm einzelne Dokumente heraus, die er überflog und wieder zurücklegte. Er war gerade im Begriff, die letzte Schublade mit der Hüfte zu schließen, als seine Mutter mit einem Tablett im Türrahmen erschien. Zärtlich fuhr seine Hand über den Sekretär.
»Ein schönes Stück. Ich hab es immer gemocht. Wie oft Vater hier wohl gesessen und an seinem Buch geschrieben hat?«
Phebe stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab.
»Ja, hier saß er immer am liebsten«, erwiderte sie lächelnd, schenkte den Tee ein und reichte ihm die Tasse. Sie forderte ihn erneut auf, von sich zu erzählen, worauf Heinrich von seiner Offizierskarriere berichtete. Phebe zeigte allerdings größeres Interesse an seinem Privatleben und strahlte ihn warmherzig an, als er von seiner Frau Sophia und dem sechsjährigen Sohn Albert berichtete. Nach einer Weile stellte er seine Tasse ab.
»Mutter, es gibt einen Grund, weshalb ich nach Papua zurückgekehrt bin.«
Phebe sah ihn aufmerksam an. »Ja?«
»Wundert es dich denn gar nicht, dass ich von Beringsen heiße?«
Phebe sah ihm freimütig in die Augen und schüttelte den Kopf.
Heinrich spürte, wie Ungeduld in ihm aufwallte. »Sicher weißt du, warum«, erklärte er in scharfem Ton.
Phebe zuckte unwillkürlich zusammen. »Nein, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte sie überrascht und verwirrt zugleich. »Emma hat mir damals geschrieben, sie habe Richards Familie gefunden, die dich liebevoll aufgenommen hätte, und dass du dort bleiben wolltest. Dir ging es wohl gut, das hast du ja in späteren Briefen an mich bestätigt. Alles andere hat mich eigentlich nie sonderlich interessiert.«
Heinrich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es hat dich also nicht interessiert, was dein Sohn macht?«
»Sag doch so etwas nicht!«, rief Phebe erschrocken. »Natürlich hat es mich interessiert, aber du hattest nun eine neue Familie, und da war es in meinen Augen nur fair, mich zurückzuhalten.«
»Keine Sorge, ich gräme mich nicht. Mein kleiner Familientausch hat mir nicht unbedingt geschadet, sondern hat mir im Gegenteil einen Adelstitel eingebracht, von dem Vater offenbar nichts wusste und du anscheinend genauso wenig.«
»Das hat mich damals tatsächlich sehr überrascht, als Emma mir im Zuge ihrer Recherchen davon erzählte«, bestätigte Phebe eifrig. »Ich hatte keine Ahnung.«
»Welch glückliche Entwicklung, nicht wahr? Aber etwas beschäftigt mich schon lange. Warum hast du mich damals weggeschickt? Emma sagte, der Ärzte wegen. Ich glaube das nur zur Hälfte.« Sein Blick bohrte sich in den ihren. »Warum, Mutter? Warum hast du deinen elfjährigen Sohn ans andere Ende der Welt geschickt?«
Phebe hievte ihren schweren Körper aus dem Sessel und stellte sich entschlossen vor Heinrich hin.
»Du hast jahrelang nicht mehr gesprochen, und unser Arzt hat empfohlen, dich in Übersee behandeln zu lassen. Das ist die Wahrheit! Und die Eingeborenen hatten dich verflucht.«
»Ach so, das klingt ja überzeugend. Die Einheimischen haben mich verflucht.« Heinrich lachte bitter auf. »Für wie dumm hältst du mich eigentlich?« Er sah Phebe böse an. »Nein, Mutter. Emma hat mich von hier weggebracht, weil du mich gehasst hast! Du und jeder andere auf dieser verdammten Insel.«
Phebe trat einen Schritt auf ihn zu.
»Bibi, erinnerst du dich nicht mehr an die zwei Jungen, die du gefangen genommen und gequält hast? Aus Spaß, wie du mir hinterher erzählt hast? Du brauchtest Hilfe!«, versuchte sie, ihn zu beruhigen.
Heinrich wurde langsam wütend.
»Das sind doch nichts weiter als Lügen«, sagte er etwas zu laut. Er versuchte, ruhiger zu werden, aber sein Zorn äußerte sich in umso heftigerem Ton. »Gib es zu! Bestimmt hast du die Wahrheit über meinen Vater gekannt und heimlich sein Geld an dich gerafft.«
Phebe starrte ihn einen Augenblick fassungslos an, dann brach es aus ihr heraus: »Du denkst nur, du bist mein und Richards Sohn. Aber du hast keinen Tropfen unseres Blutes in dir. Nicht einen einzigen. Du bist nicht mehr und nicht weniger mein Kind als all die anderen Waisenkinder auch, für die Richard und ich über die Jahre hinweg gesorgt haben.« Phebe schien mit jedem Wort mutiger geworden zu sein, und als Heinrich etwas erwidern wollte, bedeutete sie ihm zu
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