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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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Unruhe, die Begegnungen mit ihrem Vater regelmäßig bei ihr auslösten. Wie meistens bei Verabredungen war sie auch dieses Mal zu früh. Sie ging die Stufen zum Eingang hoch und ließ sich in einen der ausladenden Korbsessel mit den roten Kissen fallen. Sie fischte in ihrem Rucksack nach dem MP3-Player, entwirrte das Kabel und steckte sich die Knöpfe in die Ohren. Dann drückte sie auf die Playtaste und drehte die Lautstärke bis zum Anschlag. Erstaunt hob sie die Brauen. Keine Ahnung, wie sich diese Heavy Metal Tunes auf ihre Random-Liste geschlichen hatten. Diese Musikrichtung hörte sie sonst eigentlich nicht, aber jetzt, da sie schon einmal dabei war, gefielen ihr die schnellen Gitarrenriffs und der harte Beat sogar. We are the Metal Law. Der archaisch anmutende Gesang hatte etwas Beruhigendes, irgendwie passte er zu diesem urzeitlichen Ort.
    Katja griff in ihrer Hemdtasche nach den Zigaretten und steckte sich eine an. Dann lehnte sie sich zurück, blies den Rauch in die Dunkelheit.
    Ungefragt bahnten sich Erinnerungen einen Weg in ihr Bewusstsein. Situationen und Ereignisse, die das Verhältnis zu ihrem Vater im Laufe der Jahre geprägt hatten. Sie mochte es nicht, wie er im Versuch, sie klein zu halten, ihre Ansichten regelmäßig der Lächerlichkeit preisgab, und dabei hatte es ihn auch nie weiter geschert, ob Dritte zuhörten. Im Gegenteil: Die Anwesenheit Unbeteiligter schien seine Kritik an der eigenen Tochter sogar noch zu verschärfen. Katja missfiel auch, wie sehr ihr Vater an den Lippen ihres Großvaters hing. Was Albert von Beringsen sagte, war ihm Befehl. Wenn ihr Vater in ihrer Kindheit überhaupt anwesend war und nicht durch die Weltgeschichte reiste, schlüpfte er sofort in die Rolle des strengen Patriarchen, der ermahnte und strafte. Umarmungen, Zärtlichkeiten, fröhliches Herumtollen oder ziellose Spielereien – das alles hatte es in der elterlichen Villa nicht gegeben. Gefühlsduselei, Zeitverschwendung. Später, als Teenager, lernte Katja, wie sie ihren Vater am besten in Rage versetzen konnte, und sie hatte diese Kunst bald perfektioniert. Widerrede hielt sie für ihre Pflicht, und sie scheute nicht davor zurück, diese Waffe so weit auszureizen, bis es eine Ohrfeige setzte. In solchen Fällen hielt sie sich die Wange und schaute ihn von unten mit einem Blick an, der nur schwerlich ihren Triumph verbarg. Den Vater zur Überreaktion zu bewegen, ihn aus der Fassung zu bringen, dieses Ziel war einmal mehr erreicht. Kein Wunder, dass ihr Vater sich irgendwann kaum mehr zu helfen wusste. Er hätte sich allerdings denken können, dass Besuche beim Hausarzt und beim Psychologen fruchtlos bleiben würden. Bei den Ärzten wandte Katja dieselben Methoden wie schon bei ihrem Vater an, was sich auch dort als erfolgreich erwies. Zumindest von ihrer Warte aus betrachtet. Sie musste nicht mehr hin.
    Katja drückte die Zigarette im Aschenbecher auf dem Beistelltisch aus. Als Teenager war sie wohl ein ziemliches Früchtchen gewesen. Fast hatte sie im Nachhinein Mitleid mit ihren Eltern. Im Unterschied zu damals war sie mittlerweile durchaus in der Lage, auch die Position ihrer Eltern zu verstehen. Es war ihr nicht oft gelungen, aber an diesem Abend wollte sie es versuchen.
    Wenn sie erfahren wollte, was ihr Vater über das Familiengeheimnis wusste, musste sie sich wohl oder übel selbst ein wenig öffnen. Alles andere wäre unglaubwürdig. Jegliches Taktieren ihrerseits würde ihr Vater ohnehin schnell durchschauen.
    Ob alle innerhalb der Familie davon wussten? Falls es so war, konnte sie niemandem auch nur ansatzweise vertrauen.
    Katja schaute erneut auf die Uhr. Ihr Vater war spät dran. Sie stemmte sich mit einem leichten Ächzen aus dem tiefen Sessel, ging ins Restaurant und nahm an einem Tisch mit Meeresblick Platz. Die Bedienung brachte ihr den Sauvignon Blanc, den sie noch auf der Veranda bestellt hatte. Am Strand sah sie ein paar Fischer mit ihren Netzen hantieren. An seinem Hinken meinte sie, einen ihrer Patienten zu erkennen. Sollte er es tatsächlich sein, war es schlimmer geworden mit ihm: die Entzündung musste sich ausgeweitet haben. Sie schnaubte verärgert. Sah ganz danach aus, als hätte er entgegen ihrem Rat den Verband abgenommen und es gleichzeitig unterlassen, die kortisonhaltige Salbe aufzutragen, die sie ihm mitgegeben hatte. Keine Frage: Sie würde Tami in den nächsten Tagen im St. Mary’s zu sehen bekommen. Leider war sein Verhalten keine Ausnahme. Ihr Job hier konnte mitunter

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