Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
begleiten, oder hast du etwa vor, allein zu fliegen?«
»Mutter, ich bin zweiunddreißig Jahre alt.«
»Allein nach Papua-Neuguinea! Ja, bist du denn des Wahnsinns?«
Katja hatte damit gerechnet, dass ihre Mutter von ihrem Reiseziel nicht unbedingt begeistert sein würde. Doch die Schärfe ihrer Reaktion überraschte sie, und sie biss vor Anspannung die Zähne aufeinander. Insgeheim hatte sie gehofft, die mütterliche Freude über die erste Reise ihrer Tochter nach Michaels Tod würde überwiegen. Aber sie hatte sich geirrt. Sie wollte gerade etwas sagen, um ihre Mutter zu beruhigen, als sie es am anderen Ende rascheln hörte. Es knackte ein paar Mal in der Leitung, und plötzlich war ihr Vater am Apparat. Hatte er ihrer Mutter etwa das Handy entrissen?
»Stimmt das, was ich da eben gehört habe? Du willst allein nach Papua-Neuguinea? Als Frau?«
Katja lag es schon auf der Zunge zu sagen, dass sie ja schlecht als Mann verreisen könne, doch sie schluckte die Bemerkung hinunter, um ihren Vater nicht noch mehr aufzuregen. Am Ende bekäme es doch nur wieder ihre Mutter ab.
»Weißt du, wie es da zugeht? Wie viel ein Menschenleben dort zählt? Was Frauen den Papua wert sind? Gar nichts! Hast du denn nie von den bewaffneten Überfällen und den Vergewaltigungen durch diese Banden gelesen, den Raskols? Du kannst als weiße Frau nicht einfach so durch Port Moresby spazieren, als wärst du in Deutschland. Das ist dir doch hoffentlich klar?«
Er schnaufte. Wahrscheinlich tupfte er sich mit einem gestärkten Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn, wie er es immer tat, wenn er so erregt war wie jetzt.
»Vater, das ist mir durchaus klar. Das Reisebüro hat mich auch gleich darauf hingewiesen. Aber übertreibst du nicht ein wenig? Das Auswärtige Amt hat jedenfalls keine Reisewarnung für Papua-Neuguinea ausgegeben, und ich will ja gar nicht in die Landeshauptstadt. Ich verbringe dort nur ein, zwei Stunden am Flughafen, um auf meinen Anschlussflug nach Rabaul zu warten. In East New Britain soll es viel sicherer sein als in Port Moresby.«
»Sicherer? Als Ärztin muss ich dich doch nicht erst vor dem Malariarisiko warnen oder dem Denguefieber. Die Moskitos sind allgegenwärtig.«
Katja seufzte entnervt. »Ja, das weiß ich natürlich, und auch, wie ich mich vor den Biestern schütze.«
»Aha. Dann hat die Frau Doktor bestimmt auch von der hohen HIV-Ansteckungsrate gehört.«
»Vater, bitte!«
»Oder vom Choleraausbruch erst letzten September.« Katja schluckte. Davon hatte sie tatsächlich nichts mitbekommen. Als Ärztin ließ sie sich von derlei Schreckensmeldungen eigentlich nicht einschüchtern, aber wenn sie außerdem die allgemeinen Warnungen des Auswärtigen Amtes bedachte, wurde ihr doch ein wenig mulmig zumute. Die große Insel in Melanesien war mit Sicherheit alles andere als ungefährlich. Sie hob ihr Kinn, wie um sich selbst Mut zu machen.
»Ich habe mich entschieden, Vater. Ich fliege. Ob es euch nun gefällt oder nicht!«
Aus dem Wirtschaftsteil der Kölner Morgenzeitung
vom 21. 05. 2001,
Phebe₋Parkinson₋Archiv, Archivnummer 082
Wipperfürth – Der rheinische Unternehmer Albert von Beringsen feiert am Wochenende seinen 80. Geburtstag
Das Alter scheint dem Geschäftsführer und Vorstand der Ferron AG wenig anhaben zu können. Das Unternehmen hat dem Mehrheitseigner und seiner Familie über die Jahre ein Vermögen beschert, das ihn optimistisch in die Zukunft blicken lässt.
»Ich erachte es als Privileg, die Geschicke dieses Unternehmens seit Jahrzehnten leiten zu dürfen. Die Zeiten waren nicht immer rosig, und doch ist es uns mit einiger Umsicht und dem nötigen Quentchen Glück gelungen, selbst dann zu wachsen, wenn andere mit dem Überleben zu kämpfen hatten. Dafür bin ich sehr dankbar.«
Worte der Bescheidenheit, doch Branchenkennern ist nur zu bekannt, dass der dauerhafte Erfolg der Ferron AG nicht zuletzt auf die außerordentlichen Fähigkeiten ihres Geschäftsführers zurückzuführen ist. Geschäftspartner loben von Beringsens Gespür für wirtschaftliche Trends. Ferrons Aufstieg, so heißt es aus Kölner Wirtschaftskreisen, sei zuallererst dem enormen Verhandlungsgeschick von Beringsens geschuldet. Diese Fähigkeit, gepaart mit einer guten Portion Mut zum Risiko, habe Ferron bereits zu einer Zeit beträchtliche Gewinne eingetragen, da deutsche Anleger in der Regel noch nicht einmal von Papua-Neuguinea gehört hätten.
In den Nachkriegsjahren in Köln als Maschinenbaubetrieb
Weitere Kostenlose Bücher