Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
wie eine Tausend-Watt-Birne.
»Da können Sie drauf wetten, Missus.«
»Bitte nennen Sie mich nicht Missus. Sie sind doch nicht mein Sklave. Kann ich jetzt bitte meinen Schlüssel haben?« Genervt hielt sie ihm die geöffnete Hand hin. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr zu sich genommen, denn aus dem geplanten Mittagessen mit dem Pfarrer war natürlich nichts geworden. Eigentlich kein Wunder, dass sie sich mit einem Mal verdammt wackelig auf den Beinen fühlte. Sie nahm den altmodischen Schlüssel mit dem grob gezackten Bart und ging in Richtung ihres Bungalows. Sie würde sich ein Sandwich und Bier aufs Zimmer bestellen und den Rest des Tages am Pool verbringen.
Schon von weitem hatte Katja die Trommeln gehört. Als sie auf den Parkplatz einbogen, war er bereits voll belegt. Takari hielt an, sprang von seinem Sitz, umrundete den himmelblauen Transporter des Resorts und öffnete Katja die Tür. Mit dem Kinn deutete er auf einen verschlungenen Pfad. Er war so schmal, dass es aussah, als wolle der dichte Urwald ihn verschlingen. Wohin der Weg führte, war von Katjas Position aus nicht zu erkennen. Sein Ziel musste sich hinter einer Biegung verbergen. Dort, wo sie rhythmisches Trommeln durchs Grün dringen hörte.
»Gehen Sie den Pfad bis zum Ende, Sie können den Matmat nicht verfehlen. Falls Sie sich im Wald oder auf Kuradui verlaufen sollten, wird Ihnen der Buschfunk den Weg weisen.«
Als er Katjas irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, beeilte er sich, beruhigend nachzusetzen: »Keine Sorge. Es besteht keine Gefahr, dass Sie die Orientierung verlieren. Das war nur ein Scherz.«
Katja setzte ihren Strohhut auf, den sie im Hotelshop erworben hatte.
»Aber lassen Sie die Finger von den Kwila «, sagte er plötzlich.
»Wer oder was soll das denn sein?«
Takari zeigte auf den Wald. »Die großen Bäume dort drüben.«
»Und wieso soll ich die nicht anfassen?«
»Weil sie unheimlich sind. Wenn man an ihnen vorbeigeht, sprechen sie zu einem, aber nicht wie ein Mensch.«
Katja runzelte die Stirn. Wenn Takari sie nicht verschaukelte, handelte es sich bei seiner Geschichte wohl um eine mythische Erzählung der Papua.
»Gibt es denn einen Grund dafür, warum sie reden?«
Takari nickte. Sein Gesicht war ungewohnt ernst. »Der Kwila ist ein Urzeitwesen, das vor den Menschen existierte und sich dann in den gefährlichen Baum verwandelte. Es kommuniziert auch heute noch mit uns und erteilt Ratschläge.«
»Interessant. Aber er ist nicht vielleicht giftig?« Die Wissenschaftlerin in ihr suchte nach einer logischen Erklärung hinter der seltsamen Geschichte.
»Giftig nicht, doch wenn man ihn berührt, bricht er einem das Rückgrat, und die Bauchhöhle füllt sich mit Blut.«
Katja machte große Augen.
»Das erzählen sich zumindest die Alten«, setzte Takari nach und kletterte auf den Fahrersitz zurück.
»Kommen Sie denn nicht mit?«, fragte Katja perplex, weil ihr von Takaris Gerede nun doch ein wenig mulmig zumute geworden war. »Ich dachte, ganz Kokopo sei zu dem Zeremoniell geladen.«
»Leider nein, ich muss arbeiten. Ich hole Sie in anderthalb Stunden hier ab. Falls Sie früher zurückwollen, rufen Sie bitte das Resort an.« Er drückte ihr eine Karte in die Hand.
»Sie lassen mich tatsächlich allein durch Ihren gefährlichen Wald laufen?«
»Es ist ja nicht weit zum Friedhof, und wenn Sie den Stamm nicht anfassen, kann Ihnen auch nichts passieren.«
Katja schluckte.
»Bis dann.« Er tippte sich mit dem Finger an eine imaginäre Hutkrempe, setzte den Minibus schwungvoll zurück und brauste davon. Katja schaute ihm eine Weile ratlos nach, dann wedelte sie sich den aufgewirbelten Staub aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg.
Der Schatten der hohen Baumkronen malte weiche Flecken auf die rötliche Erde, die vor ihren Füßen zu tanzen schienen, sobald eine Brise in das Geäst fuhr. Diese Kwila -Bäume waren ihr vollkommen unbekannt. Sie hatten eine Höhe von ungefähr zwanzig Metern, ihr Stamm war bis auf die letzten oberen Meter astfrei. Der durchdringende Schrei eines Vogels ließ Katja zusammenzucken. Der Ruf erschien ihr übertrieben laut, so als wolle das Tier ein für alle Mal klarstellen, wer hier Herr im Hause war. Während sie noch versuchte, die Quelle des Lärms auszumachen, flatterte etwas ganz dicht neben ihr durchs Unterholz. Sie trat erschrocken zurück, und für einen Moment sah sie einen prächtigen Vogel mit langen, schwarz und gelb glänzenden Schwanzfedern davonfliegen.
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