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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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Dabei wirbelte das Tier aufgeregt Blätter vom Boden auf. Das trockene Rascheln, der hektische Flügelschlag und die fremdartigen Laute des wunderschönen Vogels ließen Katja innehalten. Ob sie da gerade ein Exemplar des legendären Paradiesvogels erspäht hatte? Fasziniert blickte sie dem in schillernden Farben gezeichneten Vogel nach.
    Wenige Minuten später trat Katja auf eine Lichtung. Ganz unverkennbar der Friedhof, den die Einheimischen Matmat nannten, wie Takari ihr erklärt hatte. Die Feierlichkeiten schienen bereits begonnen zu haben, denn ein dürrer alter Mann mit übergroßer Sonnenbrille und in kurzärmligem Hemd schritt vorsichtig auf eine Grube zu, an deren Kopfende ein Grabstein stand. Die Inschrift konnte Katja aus der Entfernung nicht entziffern. Der Mann balancierte einen Kindersarg auf der Schulter, der offenbar nicht sonderlich schwer war. Ein Kindersarg? Katja blieb am Waldrand stehen. Es war ihr ganz lieb, sich abseits der großen Trauergemeinde zu halten. In der Deckung des Dschungels konnte sie ungestört das Geschehen beobachten, ohne sich gleich wie ein Eindringling zu fühlen.
    Der alte Mann stellte den schlichten Sarg auf einem Holztisch ab, zog aus seiner Hose ein Taschentuch hervor und wischte liebevoll über die dunkle Maserung. In der anderen Hand hielt er einen kleinen Bilderrahmen, den er daneben aufstellte. Sein knochiger Zeigefinger strich über den Silberrahmen, als wolle er eine unsichtbare Schicht Staub abtragen.
    Katja war zu weit entfernt, um das Foto hinter dem Glas zu erkennen, aber zweifelsohne handelte es sich um ein Bild von Phebe Parkinson. Eine Gruppe schwarzer Nonnen in knielanger, taubengrauer Tracht legte Blumen auf den Sarg und bekreuzigte sich. Auf ein Zeichen hin setzten sich zwei Einheimische in europäischer Kleidung in Bewegung. Sie legten zwei Seile unter den Sarg, eins vorne, eins hinten. Anschließend trugen sie ihn zur Grube und seilten ihn langsam in die Erde hinab. Neben dem Grabstein stand Pfarrer Reuter. Er räusperte sich und sagte kurz etwas auf Tok Pisin. Dann streckte er die Hand nach dem Greis aus, der nun neben ihm stand, und klopfte ihm auf die Schulter, bevor er zur Seite trat.
    »Danke für die freundlichen Worte, Pfarrer!« Der Alte wandte sich an die Trauergemeinde, nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Hemdtasche. »Ich danke euch allen für euer Erscheinen. Ich sehe viele bekannte Gesichter.« Sein Blick wanderte langsam über die Gemeinde, dem ein oder anderen nickte er zu und lächelte. »Es ist schön, euch nach all den Jahren wiederzusehen.« Er stockte, räusperte sich ein Kratzen aus dem Hals. In der Pause, die durch sein Schweigen entstand, konnte Katja hören, wie der Wind vom Pazifik her durch die Blätter fuhr. Die Hände des alten Mannes zitterten leicht, als er eine einladende Geste in Richtung der Gäste machte. »Willkommen auf Kuradui. Ich danke der Familie von Beringsen für die Erlaubnis, diese Feier auf ihrem Grundstück abzuhalten. Es ist lange her, und für diejenigen, die mich nicht kennen: Ich bin Paul Ütersen, Phebes Enkel. Doch lasst mich zunächst die einheimischen Gäste begrüßen.«
    Ab da sprach er auf Tok Pisin weiter, und Katja konnte außer einzelnen Wörtern, die an die deutsche Sprache erinnerten, nichts verstehen. Doch sie spürte, wie vom Klang der Worte eine Art Sog ausging. Sie kannte Papua nicht, und ihr wurde erst jetzt richtig bewusst, dass sie durch diese unbekannte Frau, die hier begraben wurde, mit dem Land und seinen Leuten verbunden war. Dieser Gedanke erschien ihr genauso fremd wie verlockend.
    Katja atmete durch und schloss für einen Moment die Augen. Sie war klug genug, um zu wissen, woraus sich dieser Wunsch, woanders hinzugehören, speiste. Deutschland war für sie ein Ort voller Schmerz und Trauer. Sie öffnete die Augen und ließ den Blick über die bunte Gesellschaft schweifen. Einige der Nonnen weinten. Die Stimme von Paul Ütersen riss sie aus ihren Gedanken. Er sprach nun wieder deutsch.
    »Lasst uns das Werk von Phebe Parkinson feiern. Einer Frau, die von tiefem Respekt für das Leben durchdrungen war. Ihr Sinn für die Einbeziehung anderer, ihre Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen sind nur zwei der Werte, die Phebes Wirken zugrunde lagen. Wer das Glück hatte, sie kennenzulernen, kann von so viel mehr berichten. Ich danke den Hütern des Matmats von Kuradui für ihre Gastfreundschaft. Thank you, Your Highness Malietoa. Danke, dass wir die Erneuerung

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