Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
sie beobachtete, und wischte sich fahrig mit dem Handrücken über den Mund, als sie den Verschluss der Plastikflasche wieder zugeschraubt hatte. Sie stellte die Flasche neben sich. »Wie haben Sie eigentlich Zeit für diesen Trip gefunden? Hatten Sie nicht erwähnt, Sie hätten fürchterliche Engpässe mit dem Personal?«
Lambert streckte die Beine aus. Etwas wie ein Klagelaut entrang sich seiner Brust.
»Mein Assistenzarzt ist wieder zurück.«
»Das freut mich für Sie.« Lambert schüttelte sorgenvoll den Kopf.
»Danke, aber leider hat er gleichzeitig seine Kündigung eingereicht.«
»Oh.«
»Er geht mit seiner Familie nach Sydney.« Lambert sah sie mit seinen hellen Augen an. »Ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Dabei hat er sich bei der Kündigung gewunden wie ein Fisch auf dem Trockenen, weil er denkt, dass er als Papua eigentlich seinem Land dienen müsste.«
»Das tut mir leid. Was wollen Sie denn jetzt tun?«
Lambert massierte sich mit den Fingerspitzen die Lider. Er wirkte mit einem Mal sehr müde.
»Gute Frage. Warten, bis sich ein anderer Idealist für den Job erwärmen kann? Ach, ich weiß es nicht. Manchmal bin ich einfach nur noch müde.« Er legte sich ins Gras und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Ein paar Vögel kreisten über ihnen und gaben krächzende Laute von sich, die in der Weite verhallten. Sie schwiegen eine Weile.
»Haben Sie sich jemals gefragt, ob die Richtung, die Sie irgendwann einmal voller Selbstvertrauen eingeschlagen haben, Sie auf den falschen Weg geführt haben könnte?« Er blickte unverändert in den Himmel, als Katja ihm überrascht das Gesicht zuwandte.
Sie war sich nicht sicher, ob Lambert tatsächlich eine Antwort auf seine Frage erwartete. Auf ein Gespräch mit Tiefgang war sie nicht vorbereitet, sie kannte diesen Mann doch gar nicht. Wieder hörte sie die merkwürdig verloren klingenden Schreie der Vögel. Katja entschied sich, den Ball zurückzuspielen.
»Wie steht es denn mit Ihnen? Sind Sie im Leben schon mal falsch abgebogen?« Sie umfasste ihre Knie mit den Händen, blickte kurz zu Lambert hinüber.
»Ja, ich habe Fehler gemacht. Grobe Fehler, die sich nicht mehr ausbessern lassen.« Er drehte ihr den Kopf zu. Katja nickte kaum merklich, obwohl ihr nicht klar war, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte.
»Und jetzt bereuen Sie eine frühere Entscheidung«, sagte Katja vorsichtig, und es klang eher wie eine Frage.
»Im Nachhinein ist man immer klüger, nicht wahr? Wer weiß schon, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn wir an einer Weggabelung die andere Richtung gewählt hätten? Wir sind die Summe der Entscheidungen, die wir in unserem Leben getroffen haben. Ob sie richtig waren oder falsch, spielt irgendwann keine Rolle mehr. Wir müssen damit leben.«
»Da haben Sie wohl recht.« Katja lächelte, um der Unterhaltung die Schwere zu nehmen. »Zurück auf Los zu gehen, um nochmals von vorne anzufangen, funktioniert im richtigen Leben leider nicht. So schön es manchmal auch wäre.« Lambert lächelte zurück, und für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Katja hörte dem rhythmischen Brausen der Brandung zu, schmeckte das Salz in der Luft. Plötzlich richtete sich Lambert auf, packte seine Sachen zusammen und nahm den Rucksack auf.
»Wollen wir wieder? Wir haben noch einiges vor.«
»Haben wir das?« Leicht benommen folgte Katja seinem Beispiel, stand auf und klopfte sich das Gras von den Beinen. »Wird der nächste Programmpunkt ähnlich anstrengend? Falls ja, bin ich mir nämlich nicht so sicher, ob ich nicht doch lieber in Streik treten sollte.«
Lambert legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie vor sich auf den Pfad, der nach unten führte.
»Sie haben doch nicht etwa schon die Nase voll von Ihrem Tourguide, oder?«, fragte er mit leichtem Schalk in der Stimme.
»Da bin ich mir nicht so ganz sicher.« Katja drehte sich nach ihm um. »Kommt es mir nur so vor, oder unterziehen Sie mich hier einer Art Prüfung?«
»Einer Prüfung?« Lambert wirkte überrascht.
»Na, so etwas wie ein Härtetest.«
Lambert lachte laut auf. »Wieso sollte ich das denn tun?«
Katja zuckte mit den Achseln und ging weiter. Sie kam sich albern vor, weil ihr die Frage rausgerutscht war.
Sie fuhren die Küste entlang in Richtung Rabaul. Als sie die Landzunge umrundet hatten, bog Lambert ab und parkte den Wagen nahe am Meer.
»Ich lasse Sie für einen Moment allein.« Er bemerkte ihren fragenden Blick. »Zum Umziehen im Auto, es
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