Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Teil gefährlich. Mehrere Arbeiter waren in den letzten Jahren verunglückt, gottlob keiner davon tödlich. Außerdem galt die Mine von Anfang an als Dreckschleuder. Die Rückstände der Förderung vergifteten die Fische im Fluss, die Hauptnahrungsquelle für die lokale Bevölkerung. Katja hatte sich schon als Teenager mit den Umweltsünden ihrer Familie auseinandergesetzt, und es war zu Hause deswegen oft zum Streit gekommen, doch geändert hatte es nichts. Die Ferron AG nahm nur solche Veränderungen vor, die sich absolut nicht umgehen ließen. Und mit ein wenig Bakschisch hier und da, das der Vorstand an die jeweils zuständige Person vor Ort zahlen ließ, war bislang noch jede Auflage zu größeren Investitionen, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Umwelt- und Arbeitsbedingungen geführt hätten, verhindert worden. Beweise gab es natürlich nicht. Dazu war ihr Großvater viel zu geschickt vorgegangen. Ihre Familie ekelte Katja oft an.
Wie auch immer sie die Erlebnisse des vergangenen Tages in Gedanken drehte und wendete, irgendetwas ging hier vor sich, das ihr höchst seltsam vorkam. Wieso traute man sich nicht, Tacheles mit ihr zu reden? Lag das möglicherweise in der Kultur der Papua begründet? Trug man Konflikte auf eine andere Art aus? Oder hatte es etwas damit zu tun, dass sie eine Frau war?
Ein Motorengeräusch schreckte Katja auf, und sie wendete den Blick in Richtung Auffahrt. Hastig drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus, den sie auf ihrem Bauch balanciert hatte, und ließ ihn unter dem Sessel verschwinden. Dann nahm sie die Beine vom Geländer, schulterte ihren Rucksack und ging auf den Landrover zu, dessen Lichtkegel ihr mitten ins Gesicht schienen. Sie zog eine Grimasse und hielt sich die Hand vor die Augen. Ein Schatten beugte sich vom Fahrersitz zu ihr herüber und öffnete die Tür.
»Guten Morgen«, sagte Lambert mit verschlafener Stimme.
»Guten Morgen«, erwiderte Katja. Sie kletterte auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu. Den Rucksack verstaute sie zu ihren Füßen. Sie sah Lambert an, der sich übers stoppelige Kinn fuhr und dabei kritisch sein Gesicht im Rückspiegel betrachtete.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nicht allzu viel aus, dass Ihr Reiseleiter es nicht mehr unter die Dusche geschafft hat.« Er versuchte, sein zerzaustes Haar mit den Händen zu glätten, schaute wieder in den Spiegel und winkte dann ab, als sich das gewünschte Ergebnis nicht einstellen wollte. Katja lachte, Lambert legte den Gang ein und fuhr los.
»Sie wollen mir nicht zufällig verraten, wohin die Reise geht?« Katja hatte ihren Lonely Planet- Reiseführer aus dem Rucksack geangelt und hielt ihn aufgeschlagen in der Hand.
»Wenn Sie sich unbedingt die Überraschung verderben möchten …«
Katja klappte das Buch wieder zu. Sie hatte einen Tourguide, warum sollte sie sich da während der Fahrt mit Kleingedrucktem herumschlagen?
»Schon gut, lassen Sie nur. Ich bin privat zwar nicht der allergrößte Fan von Überraschungen, aber ich gehe mal davon aus, dass Sie mich schon nicht umbringen werden.«
Lambert lachte kurz auf.
»Sind Sie da sicher?« Er schaute sie von der Seite an, und ihr wurde unangenehm bewusst, dass sein Blick zu lange auf ihr ruhte. Eine Pause entstand, während der sich Katja unsicher mit der Hand über den Nacken strich. Endlich wandte Lambert den Blick von ihr ab und sagte: »Sie sind doch sicherlich einigermaßen fit, oder?« Er musterte sie erneut recht unverhohlen, und reflexartig zog sie den Bauch ein, der zwar noch keinen Speck angesetzt hatte, den sie allerdings auch schon länger nicht mehr trainierte. Früher war sie zweimal pro Woche die große Runde im Park gelaufen oder, wenn dort nicht so viel los war, gleich an der Rheinpromenade vor dem Haus. Doch in den letzten Jahren hatte sie sich zu größeren sportlichen Aktivitäten nicht aufraffen können. Früher war sie mit Michael am Wochenende gerne zum Tennis gegangen, aber seit seinem Tod hatte sie den Schläger nicht mehr aus dem Keller geholt. Zunächst hätte sie sich einen neuen Partner suchen müssen, und sie wusste nicht, wie sie damit klarkommen sollte, einen weiteren Teil von Michael zu ersetzen. Die Erinnerung an ihn schien ihr eh fast unmerklich und wie in Zeitlupe zu entgleiten. Das Vergessen war ein unaufhaltsamer Prozess, das wusste sie, aber noch war er schleichend, und sie hatte nicht vor, ihn zu beschleunigen.
»Sind Sie nun fit oder eher nicht?« Lamberts Stimme riss Katja aus ihren
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