Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Lambert sich endlich nach ihr um und winkte ihr zu. Erleichtert hob sie die Hand und schwamm, auf dem Rücken liegend, weiter.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« Lambert klang besorgt. Katja nickte. »Gut. Sehen Sie diesen helleren Streifen hier?« Er zeigte auf eine hellblaue Linie, die sich wie mit dem Lineal gezogen ungefähr bis zu den Beehives erstreckte, wie Lambert die felsigen Inseln nannte. »Dort, wo der Streifen verläuft, ist das Riff ganz nah unter der Oberfläche. Jenseits davon befindet sich eine gigantische Steilwand. Es geht fünfundsiebzig Meter tief hinunter. Ein Traum für erfahrene Taucher, aber auch für Schnorchler ein unvergessliches Erlebnis.«
»Hört sich spannend an. Gibt es irgendetwas, worauf ich achten sollte?« Katjas Atmung hatte sich beruhigt, ihre Panik gelegt.
»Eigentlich nicht. Bleiben Sie immer mit einer Schulter am hellen Streifen, und wenn Sie einen dunklen Schatten sehen, bitte nicht gleich panisch werden.«
»Dunkler Schatten? Sie meinen Haie, oder?«
»Ja. Aber seien Sie unbesorgt. Zu dieser Tageszeit jagen die Tiere im Allgemeinen nicht.«
Katja war von Natur aus nicht übermäßig ängstlich, aber auf eine Begegnung mit einem Hai konnte sie verzichten.
»Na, Sie machen mir Spaß mit Ihrem im Allgemeinen nicht. Soll mich das etwa beruhigen?«
Lambert schmunzelte. »Ich wollte Ihnen lediglich einen realistischen Eindruck vom Risiko geben. Sie können selbst entscheiden, ob Sie es eingehen wollen oder nicht.«
In Katjas Ohren hatte Lambert wieder diesen Unterton in seiner Stimme, ironisch bis sarkastisch, der sie zur Weißglut brachte. Verdammt! Warum hatte er sie nicht vor dem Schnorcheltrip vor den Gefahren gewarnt? Wenn sie jetzt aus Angst umkehrte, machte sie sich in seinen Augen vollkommen lächerlich. Diesen Gefallen wollte sie ihm nicht tun. Sie musste ihm Paroli bieten. Wieder kam ihr in den Sinn, dass er sie irgendeiner lächerlichen Art von Test unterzog, dessen Sinn sich ihr nicht erschließen wollte. Doch sie würde ihm keinesfalls den Gefallen tun und zurück ans Ufer paddeln. Sie schluckte schwer.
»Ich denke, ich kann mich Ihnen anvertrauen. Den Vulkanaufstieg habe ich schließlich auch überlebt.« Sie nahm den Schnorchel in den Mund und reckte den Daumen in die Luft, um Lambert anzuzeigen, dass es von ihr aus losgehen könne. Lambert schüttelte kurz den Kopf und machte sich ebenfalls bereit. Gemächlich glitt er dann an der hellen Linie entlang. Hin und wieder schoss sein Finger ins Wasser und deutete auf etwas Sehenswertes, eine Riesenmuschel, eine farbenprächtige Koralle oder eine Schildkröte. Katja folgte ihm begeistert, auch als er die vom Riff gezeichnete Linie verließ und sich über die Steilwand hinwegbewegte.
Lamberts Worte hatten sie in keiner Weise auf dieses Erlebnis vorbereitet. Der Wechsel vom flachen Korallenbett zur düsteren Tiefe traf sie wie ein Schlag. Eben noch war sie ganz vertieft in den Anblick eines Korallenbaums, der von bunten Fischen umkreist wurde, und im nächsten Moment starrte sie in einen Abgrund. Sie sah die Steilwand, als sich ihr Körper über die Klippe schob. Plötzlich begann alles um sie herum sich zu drehen, und nach wenigen Sekunden konnte sie nicht mehr sagen, wo oben und wo unten war. Die Tiefe unter ihr riss ihr Bewusstsein mit sich wie ein Strudel, aus dem sie sich nicht zu befreien vermochte. Sie schwamm wie ferngesteuert immer weiter aufs offene Meer hinaus. Und als sie versuchte, den Impuls zu unterdrücken, erbrach sie sich. Ein Schwarm winziger Fische schien sich darüber zu freuen und nibbelte an den Bröckchen, die sich auf der Oberfläche verteilten und langsam nach unten schwebten. Katjas verletztes Knie schmerzte wieder, doch es kümmerte sie nicht.
Sie wollte nur weiter, immer weiter. Sie sah den dunklen Schatten im gleichen Moment, als Lambert sie an der Schulter packte.
»Sind Sie verrückt geworden? Eine Schulter immer an der Linie, das hatte ich Ihnen ausdrücklich gesagt. Schon vergessen?« Lambert hörte sich zornig an, Katja hielt inne. »Los, zurück jetzt, aber ruck, zuck!« Er schob sie neben sich und behielt den Arm auf ihrer Schulter, um sie anzutreiben und ihr Halt zu geben. Widerspruchslos folgte Katja seinen Anweisungen. Sie war noch immer verwirrt, fühlte sich schwach. Als sie die helle Linie hinter sich gelassen hatten, gab Lambert ihr ein Signal anzuhalten. Er nahm die Brille ab und wischte sich mit einer Hand erschöpft über die Augen. Katja tat es ihm gleich.
»Sie
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