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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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schwarz.
    Katja drückte die Maustaste wieder und wieder, doch nichts geschah. Es gab keine weiteren Bilder. Katja bewegte sich nicht, ihr Atem ging flach. Angewidert schob sie die Maus von sich. Letzte Aufnahmen eines großartigen Kameramanns. Ihr wurde schlecht, und sie rannte aufs Klo, um sich zu übergeben. Dann putzte sie sich die Zähne, öffnete die Minibar und goss sich einen Scotch ein. Sie trank das Glas auf ex, nahm sich anschließend die Miniflasche Gin vor, den sie mit einem Fingerbreit Tonic auffüllte. Danach ging sie zum Telefon und wählte Rolfs Nummer. Es war ihr egal, ob er schon wach war oder noch schlief.

    Noch im Morgengrauen brach sie auf. Sie hatte die Nacht über kein Auge zugetan, denn der Gedanke, dass Michaels letzte Aufnahmen in diesem Hotel gemacht worden waren, hatte sie vor Wut und Kummer fast um den Verstand gebracht. Womöglich war es dasselbe Zimmer, dasselbe Bett? Sie versuchte, diesen Gedanken von sich zu weisen. Ihr erster Impuls war abzuhauen, diesen schrecklichen Ort sofort zu verlassen. Doch mitten in der Nacht? Sie kannte die Strecke nicht und hatte die halbe Minibar geleert. Und überhaupt: Warum sollte sie denn noch zu dieser Rosie? Was ging sie die ganze Geschichte eigentlich an? Was interessierte sie überhaupt noch irgendetwas? Aber nun war sie schon einmal hier. So aufgewühlt und verwirrt, wie sie war, hielt Katja es für das Beste, dem ursprünglichen Plan zu folgen.

    Nach Strahan war es gar nicht so weit, wie sie zunächst vermutet hatte. Sie fuhr zurück, über Roseberry und Zeehan, und gelangte nach Queenstown. Dort trank sie einen Flat White, wie man Milchkaffee hier offenbar nannte, und machte sich gleich wieder auf den Weg. Bis zu ihrem Ziel waren es laut Karte noch vierzig Kilometer. Dazwischen gab es kein Dorf oder sonstige nennenswerte Siedlungen. Unter anderen Umständen hätte Katja ein Auge für den rauhen Charme der einsamen Westküste gehabt und sich sogar daran erfreut: zerklüftete Küstenlandschaften, abgelöst von dichtem Regenwald, uralten Seen und wilden Flüssen. Jetzt sah sie allerdings nichts weiter als eine fremdartige Kulisse, in die sie nicht hineingehörte.
    Ihr Kopf war voll von Michaels letzten Bildern, die ungefragt vor ihren Lidern aufzuckten.
    Seit einer Viertelstunde regnete es stark, und Katja war kalt. Sie drehte die Heizung ihres Mietwagens auf, was ihren übernächtigten und verheulten Augen nicht guttat. Als der Regen horizontal auf die Windschutzscheibe prasselte, konnte sie kaum noch etwas sehen. Sie drehte die Wischer auf volle Stärke. Mit Mühe nahm sie durch die Schlieren hindurch noch den Verlauf der Straße wahr. Die Hoffnung auf eine öffentliche Toilette am Wegesrand hatte sie aufgegeben und fuhr nun links ran, um den Kaffee loszuwerden, der auf ihre Blase drückte. Sie verschwand im Graben neben dem Auto, zog sich die Hosen runter und ging in die Hocke. Der Regen platschte in dicken Tropfen auf sie nieder, während sie sich erleichterte. Zurück im Auto stellte sie die Lüftung auf Anschlag. Die Scheibenwischer schabten hektisch übers Glas, Katja stellte den Hebel auf »Aus«. Einen Moment ausruhen, einen klaren Gedanken fassen, dann weitermachen. Irgendwie.
    Katja fuhr sich mit festem Druck übers nasse Haar, strich es dann aus dem Gesicht. Rolfs Worte dröhnten ihr noch immer im Ohr: »Er wollte sich von dir trennen. Mara war schwanger.« Es hatte bestimmt über eine Stunde gedauert, ehe sie Rolf diese zwei Sätze hatte abpressen können. Zuvor hatte sie geheult, geschrien, auf ihn eingeredet und ihn am Ende angefleht, um nur endlich die Wahrheit zu erfahren. Irgendwann hatte Rolf aufgegeben. Danach hörte sie nur noch sein leises Schluchzen in der Leitung, und sie legte auf.
    Mara und Michael waren ein Paar gewesen, schon ein Dreivierteljahr vor dem Unfall. Sie hatten geplant, demnächst zusammenzuziehen, und freuten sich auf ihr Kind. Nach dieser Doku in Australien, nach ihrer Rückreise aus Tasmanien hatte Michael es ihr erzählen wollen.

    Katja schnallte sich an, legte den Gang ein und trat ein wenig zu fest aufs Gaspedal. Das linke Hinterrad drehte durch, und der Kia Rio schlitterte durch den Schlamm nach vorne, bis er schließlich auf die unbefahrene Straße ruckelte. Ein Unfall käme ihr jetzt wie gerufen, schoss es ihr durch den Kopf. Wenn sie es sich hätte aussuchen können, dann ein Koma auf Zeit. Besinnungslos sein. Ohne Schmerzen, ohne Bewusstsein. Und erst aufwachen, wenn es nicht mehr so weh tat.

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