Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Johanna von Kopf bis Fuß. »Kann’s Ihnen nicht verübeln.« Die Zügel seines Wallachs kurz fassend, lenkte er das schnaubende Tier zum Ausgang. »Kommt Männer, hier gibt es für uns nichts mehr zu holen.« Er schlug dem Pferd die Fersen in die Seite. Ein Tier nach dem anderen polterte die Treppe hinunter, halb panisch, dann galoppierte die Gruppe davon.
»Wieso haben Sie denn nicht auf diese Wüstlinge geschossen?«, fuhr Johanna Sergeant Hunter empört an.
»Das hätte die Lage nur verschlimmert. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber im Grunde sind das keine schlechten Männer.«
Johanna hob skeptisch die Brauen. »Ach? Wie daneben muss ein Mann sich Ihrer Meinung nach denn benehmen, um als schlecht zu gelten?«
Hunter lächelte gequält.
»Sie haben ja recht, ich will dieses abscheuliche Verhalten auch gar nicht verteidigen. Das müssen die Männer schon selbst übernehmen, und zwar vor dem Militärgericht.«
Am Abend legte Johanna, von den Ereignissen des Tages erschöpft, die Füße hoch und wollte gerade nach der »Gartenlaube« greifen, um sich mit der Illustrierten aus der Heimat von ihren sorgenvollen Gedanken abzulenken. Als sie draußen das Schnauben eines Pferdes hörte, stand sie auf. Sie ging zum Fenster und spähte zwischen den Vorhängen in die Dunkelheit. Sie nahm vage die Umrisse einer männlichen Gestalt wahr, die sich aufs Haus zubewegte. Ihr Herz begann zu rasen. Was, wenn das einer dieser betrunkenen Soldaten von Gunantambu war? Phebe hatte sich schon vor einer Stunde hingelegt, die Kinder schliefen bereits tief und fest.
Als es klopfte, fuhr Johanna zusammen. Sie könnte die Tür einen Spaltbreit öffnen, die Kette lag ja vor. Doch dann verließ sie der Mut. Wenn es tatsächlich einer der Soldaten von heute Nachmittag war, dann würde er sich gewaltsam Einlass verschaffen, da nützte auch die Kette nichts.
»Ich bin es, Bill Hunter, Ma’am.« Sie erkannte die Stimme und atmete erleichtert aus.
»Sergeant Hunter«, sagte Johanna. Sie öffnete die Tür.
Bill nahm seinen Hut ab und drehte ihn nervös zwischen den Händen. »Entschuldigen Sie den späten Besuch. Ich wollte Sie heute auch eigentlich nicht mehr stören. Der Tag war ja aufreibend genug, aber ich finde einfach keine Ruhe. Wegen heute … Ihr Besuch auf Gunantambu … Es tut mir außerordentlich leid, dass Sie diese Schande miterleben mussten. Ich hoffe nur, Ihnen und Frau Parkinson hat diese grässliche Szene nicht allzu sehr zugesetzt.«
»Sind Sie deswegen hier? Weil Sie sich für die Trunkenbolde in Ihrer Armee entschuldigen wollen?«
»Ja, auch, aber das ist nicht der eigentliche Grund«, erklärte Bill, der ihr nun ins Gesicht schaute. Er wirkte betreten. »Wissen Sie, ich habe selbst eine Farm, und ich kann mir nur zu gut vorstellen, was es heißt, seinen Besitz von heute auf morgen zu verlieren. Ich hoffe, Sie wissen, dass wir Soldaten nichts mit diesen Entscheidungen über Enteignungen zu tun haben. Ich hoffe sehr, der Colonel kann sich dafür einsetzen, dass Frau Parkinson bald wieder zur rechtmäßigen Besitzerin wird.«
Johanna zögerte einen Moment, dann bat sie den Sergeant herein. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
In den kommenden Monaten verbrachten Sergeant Hunter und Johanna so manchen Abend zusammen. Bill war sehr rücksichtsvoll und besuchte sie immer erst, nachdem die Kinder versorgt waren und bereits in ihren Betten schlummerten oder zumindest so taten. Phebe zog sich fast jedes Mal unter einem fadenscheinigen Vorwand zurück. Bill und Johanna nutzten diese stillen Stunden, um einander auf der Veranda von ihrem Leben zu erzählen.
Im Nachhinein hätte Johanna gar nicht mehr sagen können, wann sich so etwas wie Vertrautheit in ihre Gespräche geschlichen hatte und den Ton zwischen ihnen zu verändern begann. Irgendwann ging es um mehr, darum, was jeder vom Leben erhoffte, und später darum, was sie füreinander empfanden. Bill hatte von Anfang an nicht mit seiner Bewunderung für Johanna hinter dem Berg gehalten. Ihre direkte Art gefiel ihm und auch, wie sie mit ihrem Sohn allein in der Fremde zurechtkam.
Ungefähr nach einem Monat beschloss Johanna, dass Martin und Bill einander kennenlernen sollten. Sie war nervös, aber als der Abend dann endlich gekommen war, atmete sie auf. Es war schwer zu glauben, dass der Sergeant keine Kinder hatte, denn er ging so natürlich mit dem Zehnjährigen um, als hätte er seine Zeit hauptsächlich damit verbracht, kleinen Jungen die große Welt zu
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