Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
erklären. Umgekehrt schien Martin erwachsene männliche Gesellschaft mehr vermisst zu haben, als Johanna hatte wahrhaben wollen. Es schmerzte sie fast, wie ihr Sohn sofort ohne Punkt und Komma auf Bill einredete, als hätten sie sich schon seit einer Ewigkeit gekannt. Er fragte ihm ein Loch in den Bauch, wollte alles über die Armee und das Leben in Australien wissen.
»Martin, jetzt lass den Sergeant doch mal einen Augenblick in Ruhe! Sein Essen wird ja ganz kalt«, ermahnte Johanna ihren Sohn, doch Bill winkte lächelnd ab und gab geduldig Antwort.
Vier Wochen nach jenem ersten gemeinsamen Abendessen, dem weitere gefolgt waren, hielt es Johanna für angebracht, mit Phebe über Bill zu sprechen.
Es fiel ihr nicht leicht, aber sie brauchte dringend einen Rat. Bill hatte einige vielsagende Andeutungen über seine Gefühle für sie gemacht und sie dann aus seinen blauen Augen lange angesehen. Johanna selbst war sich ihrer Gefühle nicht ganz sicher. Martin wäre vor Freude aus dem Häuschen, wenn sie und Bill ein Paar würden, daran zweifelte sie keine Sekunde. Aber was war mit Phebe? Das Letzte, was sie wollte, war, die Freundin in diesen ungewissen Zeiten im Stich zu lassen.
Es war ein schwüler Nachmittag im November. Graue Wolken hingen tief und schwer am Himmel, wollten sich aber noch nicht entladen. Phebe trat durch die Fliegentür, die hinter ihr zuschlug.
»Es wäre eine Wohltat, wenn es endlich regnen würde«, sagte sie und schenkte sich Wasser ein. Sie kam gerade vom matmat zurück, wo sie frische Blumen auf Richards Grab gelegt hatte. »Ich hab gar keine Lust mehr, etwas im Garten zu tun. Die Pflanzen verdorren bei der Hitze, sobald ich mich nur umdrehe.«
Sie leerte ihr Glas in einem Zug, Johanna schenkte ihr nach. »Wieso bist du nicht in der Schule?«, fragte Phebe.
»Wir haben heute etwas früher Schluss gemacht. Die Hitze. Und dann muss das Dach dringend neu gedeckt werden. Das hab ich heute veranlasst.«
Phebe nickte und setzte sich aufs Sofa. »Wo sind die Kinder?«
»Kühlen sich im Meer ab.«
»Sehr gut. Sonst irgendwelche Neuigkeiten? Was macht unser Sergeant?«, fragte sie wie nebenbei und legte die Beine hoch, um ihre von der Hitze geschwollenen Füße zu betrachten.
Johanna schoss das Blut in die Wangen.
Als Phebe aufsah, trafen sich ihre Blicke. »Du wirst ja rot«, sagte sie und klang gleichermaßen verwundert und amüsiert.
»Werde ich nicht. Das ist nur die Hitze.« Wie um ihre Behauptung zu untermauern, schöpfte Johanna sich über dem Spülbecken Wasser ins Gesicht und tupfte es mit dem Geschirrhandtuch trocken. Sie seufzte und ließ sich auf den freien Platz neben Phebe fallen.
»Wo du es aber nun schon angesprochen hast: Was hältst du eigentlich von Sergeant Hunter?«
»Jetzt, da du mich fragst … Ich halte ihn für einen richtig netten Kerl. Warum fragst du?«
»Ich finde ihn auch sehr nett.«
»Das hab ich bereits bemerkt.«
»Sieht man mir das an?« Johanna griff nach Phebes Hand und drückte sie. »Du hast recht. Ich mag ihn wirklich, und Martin betet ihn geradezu an.«
»Was willst du jetzt tun?«
Johanna atmete hörbar aus. »Es ist eigentlich noch viel zu früh, um irgendwelche Vorhersagen zu treffen. Wir haben uns ja noch nicht einmal geküsst.«
»Dann wird es aber höchste Zeit. So wie der arme Kerl dich anschmachtet.«
Johanna musste kichern und blickte dann, leicht peinlich berührt, zu Boden.
»Liebst du ihn denn?«, fragte Phebe geradeheraus.
Johanna räusperte sich und setzte sich gerade hin.
»Liebe, das ist ein großes Wort.« Sie sah Phebe unverwandt ins Gesicht und schwieg für eine Weile.
»Ich wage es kaum zu fragen«, hakte Phebe schließlich nach, »hast du Ludwig geliebt?«
Johanna machte eine lange Pause, in der sie eingehend die Innenflächen ihrer Hände zu studieren schien.
»Wie schon gesagt: Liebe ist ein großes Wort. Ich habe Ludwig geschätzt, das in jedem Fall. Seine Arbeit und sein Ehrgeiz haben mir imponiert. Er wollte so viel und hat sich mit ganzer Kraft dafür eingesetzt.«
»Galt deine Wertschätzung auch dem Ehemann Ludwig?«
Johanna trank einen Schluck von ihrem Wasser.
»Er hat mir als Mann gleich gefallen, wenn du das meinst. Er war freundlich, umgänglich. Aber wenn ich ehrlich bin, war ich mehr erleichtert als begeistert. Ich kannte ihn ja nur von einem Porträtfoto, und du kannst nicht sagen, dass er schlecht aussah, Phebe.«
Phebe lachte. »Das sage ich auch gar nicht. Im Gegenteil.«
»Er war nur zu
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