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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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dabei einen lindgrünen Schmetterling erschlagen, der es sich auf dem Boden bequem gemacht hatte. Nun flatterte der Falter aufgeschreckt hoch und klammerte sich an die Lampe. Dort klappte er die Flügel auf.
    Die goldenen Augenzeichen darauf schienen Tobbs anzublinzeln.
    Umarme die Vergangenheit,
    suche das Sanderholz!
    »Sehr witzig«, murmelte Tobbs. »Dazu müsste ich erst einmal hier rauskommen!« Und was sollte dieser Spruch mit der Vergangenheit? Er war ein Gefangener in Not, kein Dichter!
    Das Einzige, was ihm von seiner Vergangenheit geblieben war, war das Fell. Tobbs nahm es an sich und umarmte es. Nichts geschah. Außer, dass ein heftiger Herbstregen einsetzte.
    Das kalte Wasser kroch die Wände hinunter und sammelte sich schnell auf dem Boden. Der Wind stand so ungünstig, dass der Regen schräg durch die Luke geweht wurde. Innerhalb kürzester Zeit war Tobbs bis auf die Haut durchnässt und klapperte vor Kälte mit den Zähnen.
    Schließlich nahm er sein Fell und legte es sich als Regenschutz über Kopf und Schultern. Er krümmte sich zusammen, machte sich so klein wie möglich und wünschte sich nichts so sehr, als ganz und gar von dem Fell umhüllt zu werden. So war es immerhin auszuhalten. Die Kleidung klebte nicht mehr so an seinem Körper, und da war ein Gefühl, als würde ihm plötzlich ein warmer Schauer über das Rückgrat rieseln.
    Einen Augenblick später jedoch wurde ihm schwindlig und schwach. Der Ring um seinen Hals wog so viel wie ein Mühlstein. Seine Haut kribbelte am ganzen Körper, doch mit seinen Armen war irgendetwas passiert. Es war plötzlich unmöglich, sich am Rücken zu kratzen. Stattdessen kippte er im Sitzen zur Seite. Dann klickte etwas erstaunlich laut neben seinem Ohr. Und da waren noch andere Geräusche: das Trommeln des Regens wie Paukenschläge! Und eine kleine, summende Stimme. »Umarmedievergangenheitsuchedassanderholz«, wiederholte sie immer und immer wieder.
    Tobbs blinzelte irritiert und leckte sich über die Lippen. Spürte er da etwa einen langen Dolchzahn? Und im selben Augenblick zuckte sein Ohr! Nichts war mehr an der richtigen Stelle, selbst das Gefängnis war größer geworden.
    Erschrocken fuhr er hoch. Die Handschellen waren so groß wie Halsketten und hielten ihn nicht länger. Der Eisenring rutschte mühelos über Hals und Kopf und kam mit einem ohrenbetäubenden Scheppern auf dem Boden auf. Tobbs versuchte aufzustehen – und verhedderte sich mit Armen und Beinen.
    Ein Jaulen entrang sich seiner Kehle und auf seinem Rücken … sträubte sich Fell! Zitternd kauerte er auf allen vieren. Als er sich einen Moment gesammelt hatte und vorsichtig den Kopf wandte, entdeckte er schwarze Pfoten und einen buschigen Fuchsschwanz. Beweg dich, dachte er. Und das Ding gehorchte!
    Er wollte die Hand heben – und die schwarze Pfote schwebte gehorsam nach oben!
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag mit einem eiskalten nassen Handtuch: Er – war – ein – Fuchs!
    Das Fuchsfell war nicht nur sein Erbe gewesen, sondern ein Teil von ihm! In diesem Augenblick ergab alles einen Sinn:
    Mamsie Matatas magischer Spiegel hatte ihm sein wahres Selbst gezeigt, ein schwarzes Etwas mit Raubtieraugen: Fuchs.
    Der andere Teil von ihm, der knurrte und auf allen vieren laufen wollte: wieder Fuchs.
    Nachts träumte er davon, Eichhörnchen zu jagen und durch den Wald zu laufen.
    Und in jedem Land halfen ihm die Füchse, wo sie nur konnten, klar, er gehörte ja zu ihnen! Warum war er nicht schon viel früher darauf gekommen?
    »Umarmedievergangenheit«, rezitierte das Stimmchen hastig, »suchedassanderholzumarmedie…«
    »Wir la-gään vor Ma-da-gas-kaaar!«, grölte eine andere Stimme ein Seemannslied. »Und hat-tään die Pest a-han Bord!«
    Tobbs blinzelte. Was er hörte, waren der Schmetterling und das Glühwürmchen! Sein Fuchsgehör war tatsächlich weitaus besser als das eines Menschen.
    »He, ihr!«, sagte er. In seiner Kehle grollte es und die Insekten verstummten auf der Stelle.
    »Hi, du!«, antwortete das Glühwürmchen in der Laterne mit sonorer Bassstimme. »Was geht?«
    »Schmetterling?«, fragte Tobbs. »Wer hat dich zu mir geschickt?«
    »Werhatdichzumirgeschicktwer«, wiederholte der Falter piepsend. »Weißnichweißnich.« Von seinen Flügeln verschwand die ursprüngliche Schrift, stattdessen erschien ein hübsches Muster aus verschnörkelten Fragezeichen.
    »Erwarte nicht zu viel von so ’ner dämlichen, anonymen Postmotte«, pöbelte das Glühwürmchen und

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