Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
ankamen, kaum für möglich gehalten hatte, was ihnen gelungen war.
Ihr habt die Mongolei für mich größer gemacht. Ich habe euch für leichtsinnig gehalten, wollte euch das aber auch nicht vorher sagen, um euch nicht davon abzuhalten. Meine Befürchtungen haben sich nun in Luft aufgelöst. Es sind doch immer wieder Dinge möglich, die einem zuerst unmöglich erscheinen.
Jens antwortete:
Es ist ein großes Glück, wenn du Menschen findest, die so denken wie du selbst.
ULAN BATOR hatte sich verändert, die großen Plätze waren menschenleer. Es war heiß, weit über dreißig Grad, die Stadt wirkte verlassen. Auch Galsan hatte mit seiner Frau und den Kindern während des Sommers größtenteils in seiner Jurte gelebt. Sie befand sich weit außerhalb der Stadt. Hierher kam er nur, wenn er etwas Unaufschiebbares arbeiten musste.
Sie sprachen mit ihm noch einmal über die Zerstörung der buddhistischen Klöster durch die Kommunisten, denn sie wollten zum Kloster Gandan, das man als besondere Attraktion als Einziges der Klöster halbwegs verschont hatte. Dort waren nur einige der dazugehörigen Tempel demoliert oder als Stall für die Pferde russischer Offiziere benutzt worden.
Galsan erzählte:
Wir können im ganzen Land unsere Religion nicht mehr frei ausüben. Gandan dient als Feigenblatt. Weil die Gebäude hergerichtet sind und Touristen vorgeführt werden, wird eine Religionsfreiheit vorgetäuscht, die in Wahrheit schon lange nicht mehr existiert.
Der Klosterbetrieb mit seinen Zeremonien stehe unter strenger Kontrolle der regierenden Mongolischen Revolutionären Volkspartei. Die Hälfte der Mönche seien sicher Angehörige der Geheimpolizei.
Das schreckte die beiden nicht ab. Jens und Marie hatten viel über die weitläufige Anlage auf einem Hügel am Rande der Stadt gelesen und wollten sie unbedingt besuchen.
Sie schliefen noch eine Nacht auf ihren Matten auf dem Fußboden seines Wohnzimmers. Am nächsten Morgen fuhr Galsan zu seiner Familie hinaus aufs Land. Marie und Jens ließen ihr Gepäck in einem Kellerraum zurück und gingen zum Bus, der sie zum Kloster brachte.
Von weitem schon sahen sie den riesigen pagodenartigen Eingang zum Gelände. In den Innenhöfen flatterten scharenweise Tauben zwischen den ockergelben Gebäuden, die einst mit goldenen Dachziegeln gedeckt waren. Überall gab es überdachte Holzregale mit Gebetsmühlen. Marie und Jens sahen, wie die Menschen immer wieder zu ihnen hingingen und sie mit einem ratschenden Ton zu drehen begannen. Im Wind flatterten bunte Gebetsfahnen und Seidenschals, Räucherstäbchen würzten die Luft.
In den Gebäuden bestaunten sie vergoldete Buddhafiguren und Drachenköpfe, riesige Bronzestatuen, eine Bibliothek mit jahrhundertealten Büchern, die Sammlung fundamentaler buddhistischer Lehren. Überall waren Bilder, Teppiche und Stickereien zu sehen, die von mongolischen, tibetischen und indischen Mönchen kunstvoll gearbeitet worden waren. In einem der Tempel aus Lehm und Ziegel hatte einst ein Dalai Lama gewohnt.
Jens hatte Wechselobjektive für seine Kamera mitgenommen und fotografierte das Treiben der Mönche, er war fasziniert von den Farben ihrer Kleidung, von ihren Gesichtern. Sie waren freundlich und lächelten ihn an.
Als sie immer tiefer auf das Gelände vorgedrungen waren, bemerkten sie, dass es nur einen Ausgang gab. Die gesamte Anlage war von einer Mauer umgeben. Sie mussten den gleichen Weg wieder zurücklaufen. Noch bevor sie den Hauptausgang erreichten, passierte es.
Gleich vier Kontrolleure fingen sie ab. Sie führten sie zur Seite und fragten nach ihren Dokumenten. Einige Mönche stellten sich in einem Ring um sie und lächelten nun gar nicht mehr.
Marie bekam Herzklopfen. Jens reichte ihnen seinen Sozialversicherungsausweis, und Marie gab ihnen ihren Studentenausweis. Die Dokumente stimmten die Kontrolleure sichtlich zufrieden. Sie verlangten allerdings, dass sie zur Milizstation mitkommen müssten, dort bekämen sie ihre Ausweise zurück, wenn alles in Ordnung sei.
Wir kommen gleich dorthin nach, schlug Jens ihnen vor. Das Kloster schließe doch bald, und er habe noch nicht den größten Buddha fotografiert.
Die Kontrolleure ließen sich darauf ein und zogen sich zurück, denn sie konnten sich wohl nicht vorstellen, dass die Ausländer ohne ihre Ausweise weglaufen würden.
Als eine größere Besuchergruppe die Situation am Eingang unübersichtlich machte, entwischten Jens und Marie aus der Klosteranlage. An der Straße vor dem
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