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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Christentum mit dem Anspruch auftraten, wahre Lehre von und über Christus zu sein, sah sich die Strömung, die später als rechtgläubig bezeichnet wurde, dazu veranlasst, die ihrer Meinung nach ursprünglichen Lehren Jesu zu sichern. Bestimmte Briefe und Evangelien galten dafür als geeignet. Diese Schriften fanden in immer mehr Gemeinden Verbreitung und Zustimmung. Man darf sich den Prozess der Kanonisierung nicht als einen von Autoritäten verordneten Vorgang vorstellen. Es wurde auf keiner Synode oder Versammlung beschlossen, welche Schriften für die Christenheit Gültigkeit haben sollten. Die Kanonisierung ging in den einzelnen Regionen und Gebieten des Christentums unterschiedlich vonstatten, sowohl was den zeitlichen Rahmen als auch die Auswahl der Schriften anbelangte. Sie war ein Prozess, der aus dem Gebrauch der einzelnen Werke innerhalb der Gemeinden erwuchs. Die Verwendung der Schriften im Gottesdienst spielte dabei eine erhebliche Rolle. Nicht zu vernachlässigen ist der Faktor der Ausscheidung. Schriften, die in häretischen Kreisen großen Anklang fanden, wurden in den anderen Gemeinden immer weniger gelesen. Opferdieses Prozesses waren zeitweise auch die Paulusbriefe, die sich bei den Marcioniten und in gnostischen Gruppen großer Beliebtheit erfreuten und dadurch eine Wertminderung in anderen Gemeinden erfuhren. Ebenso erging es Werken, die nur einen sehr speziellen Adressatenkreis hatten. Das Petrusevangelium konnte sich in der Großkirche wegen seiner eher juden-christlichen Ausrichtung nicht durchsetzen. Umgekehrt war es aber auch möglich, dass Schriften, die wegen ihres begrenzten Adressatenkreises in häretischen Kreisen keine Aufnahme fanden, sich deswegen in der Großkirche durchsetzen konnten, so z. B. die verschiedenen Pastoralbriefe. Amtliche Stellungnahmen kirchlicher Würdenträger zur Kanonisierung waren also nicht der maßgebliche Grund für diese, sondern sie stellten eine Reaktion auf den bereits abgeschlossenen Vorgang der Kanonisierung dar. Nachträglich wurde bestätigt, was in den Gemeinden schon stattgefunden hatte, die Auswahl bestimmter Schriften, von denen man glaubte, dass in ihnen die jesuanische Tradition am besten bewahrt sei. Als besonders geeignet galten Texte, von denen man annahm, dass sie noch in der apostolischen Zeit entstanden waren, also vor Beginn des 2. Jahrhunderts, und einen apostolischen Ursprung hatten, d. h. sich auf einen Apostel oder Apostelschüler zurückführen ließen.
    Im Osten lässt sich erst mit Ende des 4. Jahrhunderts ein mehr oder weniger verbindlicher Kanon nachweisen, während im Westen bereits Ende des 3. Jahrhunderts die Kanonisierung nahezu abgeschlossen ist. So findet die im Westen schon früh anerkannte Apokalypse des Johannes im Osten erst im 10. Jahrhundert definitiv ihren Platz als kanonische Schrift, was nicht heißt, dass sie nicht schon zuvor in bestimmten Gemeinden kanonische Geltung besaß. Dagegen waren im 4. Jahrhundert im Westen der Hebräerbrief sowie einige der katholischen Briefe noch umstritten, während die östliche Kirche sie schon anerkannte.
D IE B EZEICHNUNG DER NEUTESTAMENTLICHEN S CHRIFTEN I M FRÜHEN C HRISTENTUM
    Wenn die Kanonisierung ein Prozess war, der sich über Jahrzehnte, ja fast zwei Jahrhunderte hinzog, so liegt es auf der Hand, dass der Begriff Kanon für die darunter zusammengefassten Schriften eine nachträgliche Bezeichnung war, der erst mit dem Abschluss dieses Prozesses Anwendung finden konnte. Wie nannten nun die Christen der ersten drei Jahrhunderte ihre Schriften? Nachdem die Texte des Alten Testaments, die auch für die Christen höchste Gültigkeit hatten, einfach als „Graphe“ oder „Graphai“ bezeichnet wurden, was nichts anderes als Schrift bzw. Schriften heißt, wurde dieser Begriff ab Mitte des 2. Jahrhunderts auch für die Schriften des Neuen Testaments verwendet. Oftmals wurden sie auch als „Hiera Graphe“ bzw. „Hierai Graphai“ als Heilige Schrift/en bezeichnet. Ein anderer Terminus für die Werke des Neuen und Alten Testaments war ab dem 3. Jahrhundert „Diatheke“, der Verfügung, Anordnung, aber auch Bund bedeutete und im lateinischen mit „Testamentum“, unserem Testament, wiedergegeben wurde. Zur Unterscheidung sprach man vom Alten und Neuen Testament.
    Der Bundesgedanke war einer der zentralen Gedanken in der jüdischen Theologie. Am Berg Sinai schloss Gott mit seinem Volk einen unauflöslichen Bund (Ex 19,5). Das Christentum übernahm die Bundesvorstellung des

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