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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Judentums, übertrug diese jedoch auf sich als das neue auserwählte Volk, denn in und durch Jesus schloss Gott nach christlicher Auffassung seinen neuen Bund. Dieser neue Bund wurde durch das Abendmahl besiegelt, wo Jesus sprach: „Das ist mein Blut des Bundes, das da vergossen wird für viele.“ (Mk 14,24) Zu welcher Zeit der Begriff der „Diatheke“ als Verfügung Gottes auf die schriftliche Fixierung dieser Verfügung – also die Schriften des Alten und Neuen Testaments – übertragen wurde, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Dass der Bundesgedanke aber direkten Einfluss auf die Entstehung der neutestamentlichen Schriften hatte, ist eher unwahrscheinlich. Vermutlich sah man in den bereits vorhandenen Werken den Willen, die Verfügung Gottes beinhaltet und übertrug dann diesen theologischen Gehalt auf die Sammlung dieser Texte, indem man sie als Verfügung „Diatheke“ bezeichnete.
D IE K ANONBILDUNG IN DEN ERSTEN DREI J AHRHUNDERTEN
    Woher weiß man aber, dass der wesentliche Prozess der Kanonisierung im 2. Jahrhundert stattfand? Die Geschichte des neutestamentlichen Kanons zu erhellen, stellt immer noch eine große Aufgabe für die Bibelwissenschaft dar. Die entscheidenden Hinweise dafür finden sich in den uns überlieferten Schriften von Kirchenschriftstellern und Kirchenvätern.
    Über die Kenntnis und Stellung der Evangelien in der östlichen Kirche des 2. Jahrhunderts geben Ignatius von Antiochien und Bischof Papias von Hierapolis Zeugnis. Ignatius von Antiochien, der um das Jahr 117 n. Chr. in Rom das Martyrium erlitt, überliefert in seinen Briefen den Begriff des Evangeliums, ohne sich dabei auf eine literarische Gattung zu beziehen. Man vermutet, dass er ein Evangelium kannte, das aber noch keine verbindliche Gültigkeit besaß. Bischof Papias von Hierapolis bestätigt um 130 n. Chr. die Existenz des Markus- und Matthäusevangeliums. Die Darstellungen des Papias liegen jedoch nur noch in den Ausführungen des Kirchenschriftstellers Eusebius von Cäsarea vor, da Eusebius aber nichts über dessen Kenntnisse des Lukas- und Johannesevangeliums berichtet, ist nicht zu erschließen, ob Papias diese beiden kannte oder nicht. Bekannt ist hingegen, dass Papias die mündliche Tradition höher einschätzte als die schriftlich fixierte. So sagte er: „Das, was aus Büchern stammt, scheint mir nicht so viel Nutzen zu bringen, wie das, was sich durch mündliche Rede dauernd lebendig hält.“ Damit wird deutlich, dass zu Beginn und Mitte des 2. Jahrhunderts die Evangelien in der östlichen Kirche noch keine autoritative Stellung inne hatten.
    Hinweise zur Stellung der Schriften in der römischen Gemeinde bietet Justin der Märtyrer, der 165 n. Chr. in Rom hingerichtet wurde. In seiner Apologie verweist er auf die Verwendung verschiedener Evangelien, vermutlich der Synoptiker, im Gottesdienst, neben den Schriften des Alten Testaments. Im Gegensatz zu den alttestamentlichen Büchern waren sie aber noch nicht „heilige Schrift“. Ob er das Johannesevangelium kannte, ist unklar. Mit Justin lässt sich bereits eine Tendenz hin zur Kanonisierung erkennen, dennoch war ein freier Umgang mit den Evangelien noch üblich. So wurden die Evangelienzum Teil zu einer Schrift zusammengefasst, da nicht das Werk als solches im Vordergrund stand, sondern die darin überlieferten Herrenworte. Neben den Evangelien dienten wahrscheinlich auch Spruchsammlungen als Quelle für die Jesus-Worte. Ein anderes wichtiges Zeugnis stellt das Diatessaron des Tatian dar. Tatian war Schüler Justins, der sein Wirken von Rom nach Osten verlagerte. Mit dem Diatessaron legte er eine Evangelienharmonie vor. Nachdem die Jesustradition das Verbindliche des christlichen Glaubens war, konnten die Evangelien in einer Schrift vereint werden. Das Diatessaron erfreute sich bis ins 4. Jahrhundert größter Beliebtheit.
    Deswegen stellt nun aber dieses Werk ein wichtiges Zeugnis des Entwicklungsprozesses der Kanonisierung dar. Auf der einen Seite zeigt der Umgang Tatians mit seiner Vorlage, dass die vier Evangelien noch nicht als ultimative Autorität galten. Die Veränderung der Schriften des Lukas, Matthäus, Markus und Johannes durch Theologen des 2. Jahrhunderts stellte keine Ausnahme dar. Auch von Theophilus von Antiochien wird berichtet, er habe eine Evangelienharmonie verfasst. Die Überarbeitung des Lukasevangeliums durch Marcion war also kein verbotener oder ketzerischer Akt. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass die vier Evangelien

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