Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
bereits bekannt waren und ausführlich in den Gemeinden gelesen wurden.
Gegen Ende des 2. Jahrhunderts bietet sich langsam ein anderes Bild, sowohl im Westen wie auch im Osten, auch wenn sich im Osten noch eine größere Freiheit im Umgang mit anderen Schriften zeigt. Die Stellung der vier Evangelien des Lukas, Matthäus, Markus und Johannes wird verbindlicher, d. h. es werden keine Veränderungen mehr vorgenommen und die anderen Evangelien, die gerade zu dieser Zeit entstehen, werden in immer weniger Gemeinden gelesen. In einigen Gebieten war das Johannesevangelium noch umstritten. Aber im Großen und Ganzen hatten die vier genannten Evangelien, die Paulusbriefe, mit Ausnahme des Hebräerbriefes, und die Apostelgeschichte ihren Platz im Kanon gefunden. Unterschiedlich wurden in den einzelnen Regionen noch die Apokalypse des Johannes sowie die restlichen Briefe beurteilt.
Irenäus, der bedeutendste Theologe des 2. Jahrhunderts, der vor allem durch seine Schriften gegen die Häretiker berühmt wurde, zählt die vier Evangelienzur „heiligen Schrift“. Eine ähnliche Einordnung findet sich bei Tertullian, dem nordafrikanischen Theologen, der sich um das Jahr 205 n. Chr. von der Großkirche ab und dem Montanismus zugewendet hat. Von Bedeutung ist Tertullian unter anderem auch deswegen, weil er Kriterien nennt, welche die Kanonizität einer Schrift erweisen sollen. Dafür sind die Apostolizität, d. h. eine Abhängigkeit von einem Apostel oder Apostelschüler, ihr hohes Alter sowie eine alte Tradition des Gebrauchs in der Kirche nötig. Die Schrift muss mit der Orthodoxie übereinstimmen, für die ganze Kirche sinnvoll und verständlich geschrieben sein, ferner soll sie der Erbauung dienen und vom göttlichen Geist inspiriert sein. Gerade an den letzten Kriterien zeigt sich die Schwierigkeit der Bestimmung, ob eine Schrift nun kanonisch ist oder nicht. Vom Geist Gottes inspiriert zu sein, gab jede Schrift vor. Und die Rechtsgläubigkeit des Inhaltes sowie ihr Bezug auf Jesus wurde auch von nahezu allen Schriften behauptet.
Am Ende des 3. Jahrhunderts gibt es in der Kirche eigentlich nur noch über wenige Schriften Unstimmigkeiten bezüglich ihrer Gültigkeit. Dazu zählte im Osten die Apokalypse des Johannes und im Westen der Hebräerbrief. Die restlichen Schriften, die uns heute im Neuen Testament überliefert sind, hatten nun einen verbindlichen Status. Ihnen billigte man zu, die jesuanische Tradition am genauesten bewahrt zu haben und zu vermitteln. Das belegen auch die Zeugnisse der kirchlichen Schriftsteller, denn sie geben nur die in den Gemeinden verwendeten Schriften wieder und nicht diejenigen, die sie persönlich bevorzugen. Es wird streng zwischen eigener Meinung und kirchlicher Praxis unterschieden. Sehr deutlich wird dies bei dem Alexandriner Theologen Origenes, der bis zu seinem Tod im Jahr 253 n. Chr. in Cäsarea wirkte. Auf ihn geht die Dreiteilung der Schriften, die in den Gemeinden im Umlauf waren und gelesen wurden, zurück. Die erste umfasst Werke, die allgemein anerkannt sind. Die zweite verweist auf so genannte lügnerische Schriften, die von den Häretikern eingeführt wurden und die dritte auf Schriften, deren Echtheit unsicher ist. Bei dem bedeutenden Kirchenschriftsteller des 3. und 4. Jahrhunderts, Eusebius von Cäsarea, zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei seinem großen Vorbild Origenes.
Die geringe Sympathie für die Apokalypse des Johannes in der östlichen Kirche, lässt sich in den Überlieferungen der großen östlichen Theologen des 4. Jahrhunderts, dem Jerusalemer Bischof Cyrill und dem Kappadokier Gregor von Nazianz nachweisen. Bei ihnen enthält der Kanon der Schriften, der das Neue Testament ausmacht, nur 26, statt der heute 27 Schriften. Beide rechnen die Johannesapokalypse nicht dazu.
Was die Johannesapokalypse für den Osten war, war der Hebräerbrief für den Westen, ein umstrittenes Werk, das wenig Anerkennung fand. Ein Grund dafür lag im regen Gebrauch dieses Briefes durch die Montanisten. Der andere Grund hing mit der theologischen Ausrichtung des Werkes zusammen. Im Westen sah man arianische Züge in ihm vertreten. Arius stammte aus Alexandrien und war Priester. Er geriet mit dem dortigen Bischof über Kreuz, da Arius in der Christologie nicht den Standpunkt der Wesensgleichheit von Vater und Sohn vertrat, sondern den Sohn dem Vater unterordnete. Diese Richtung wurde als Subordinatianismus bezeichnet. Die Auseinandersetzung beschränkte sich schon bald nicht mehr
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