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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Großkirche nur das Matthäusevangelium. Das Petrusevangelium konnte sich in den von der paulinischen Theologie dominierten Kreisen des Heidenchristentums nicht durchsetzen.
    Mit der Frage nach den Motiven für die Entstehung der apokryphen Schriften wurde auch schon angesprochen, für wen sie verfasst wurden. Ähnlichwie die kanonisierten Evangelien waren sie zum einen Schriften für Gemeinden mit einem bestimmten geschichtlichen, sozialen und ethnischen Hintergrund, die über eine sehr lebendige und eigenständige Tradition verfügten. Zum anderen stellten die Texte auf der einen Seite das Schriftgut einzelner Gruppen dar, die mit der Großkirche nur noch sehr wenig oder überhaupt nichts mehr zu tun hatten und durch dieses für ihre Ziele und Ideen werben und sie verbreiten wollten. Auf eine Aufnahme ihrer Schriften in den Kanon konnten sie zu diesem Zeitpunkt ja nicht mehr hoffen. Daneben entstanden aber auch Schriften, die dem allgemeinen Interesse weiter Kreise innerhalb des Christentums an bestimmten Themen, z. B. der Kindheit Jesu, Rechnung trugen. Dieses Interesse wuchs mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu Jesu Leben und Lehren.

5. W EITERENTWICKLUNG APOKRYPHER Z EUGNISSE
Z UR W IRKUNGSGESCHICHTE A POKRYPHER L ITERATUR
    Für einen Teil der Apokryphen-Literatur lässt sich eine bedeutende Wirkungsgeschichte nachweisen. Es handelt sich hier vor allem um Schriften aus dem legendarischen und erzählerischen Bereich. Sie wurden mitunter bis ins hohe Mittelalter überliefert und immer wieder kopiert, auch wenn sie von der Amtskirche abgelehnt und verboten waren. Wie kaum ein anderes Schrifttum waren sie beim Kirchenvolk beliebt und prägten viele Bräuche und Vorstellungen, die zum Teil noch heute praktiziert werden und präsent sind. Viele Marienfeste des Mittelalters haben ihren Ursprung in den Apokryphen, z. B. „Maria Geburt“, „Maria Opferung“, „Fest der heiligen Joachim und Anna“sowie das Fest der „Unbefleckten Empfängnis Mariens“. Das Fest der „Darstellung Mariens im Tempel“ wurde hingegen von der mittelalterlichen Kirche verboten.
    Man kann sagen, die gesamte Mariologie wurde in den apokryphen Evangelien besonderes gepflegt und ist in ihnen verankert. Es sei hier nur noch einmal an das Protevangelium des Jakobus erinnert, das zu zwei Dritteln aus Marienerzählungen besteht. Dieses Evangelium kann sogar auf eine besondere Wirkungsgeschichte stolz sein. Obwohl es in der westlichen Kirche verboten war – in der östlichen Kirche wurde es geduldet, galt aber auch nicht als kanonisch –, kann es als geistige Grundlage des Dogmas der „Unbefleckten Empfängnis Mariens“ gelten. Die unbefleckte Empfängnis Mariens bedeutet, dass Maria vom ersten Moment im Schoße ihrer Mutter durch Gottes Gnade frei von Erbschuld war. Diese theologische Richtung ist im Protevangelium des Jakobus bereits sehr viel deutlicher angelegt als in den kanonischen Evangelien des Matthäus und Lukas. Wir sind nun mit der aberwitzigen Situation konfrontiert, dass ein verbotenes Evangelium die theologische Grundlage für einen Bereich in der kirchlichen Dogmatik, nämlich für die Mariologie, legte.
    Neben dem Brauchtum hatten diese Schriften einen enormen Einfluß auf die bildende Kunst. Ikonographie, Freskenmalerei, Mosaikkunst, Schnitzerei und Buchmalerei schöpften ihre Themen aus den Erzählungen der Apokryphen, auch wenn diese insbesondere von der westlichen Kirche abgelehnt bzw. verboten wurden. Es waren vor allem Darstellungen aus dem Leben des Kindes Jesus und Mariens, die verarbeitet wurden. Die älteste Überlieferung dieser Art stellen Mosaiken im Triumphbogen von Santa Maria Maggiore in Rom dar. Sie stammen aus dem 5. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert entstanden im Chorakloster in Konstantinopel Mosaiken, die das Leben Marias zum Inhalt hatten und sich sehr stark an das Protevangelium des Jakobus anlehnten. Gerade die Wiedergabe der Geburt Jesu in der byzantinischen Kunst zeigt ab dem 10. Jahrhundert ein bestimmtes Muster immer wiederkehrender Elemente. Dazu gehört die Höhle als Ort des Geschehens, das Jesuskind in einem Trog, die Anwesenheit von Ochs und Esel sowie Maria im Mittelpunkt des Bildes. Auch in der westlichen Tradition hat sich diese Konstellation durchgesetzt, lediglich aus der Höhle wurde hier ein Stall. Eine Darstellung des Weihnachtsgeschehens,die so vertraut und selbstverständlich erscheint, dass ihre Nichtüberlieferung durch die synoptischen Evangelien kaum bewusst ist. Wer

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