Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
möchte heute noch auf die Krippe unter dem Christbaum verzichten, nur weil es sich um eine Erzählung aus einem apokryphen Evangelium handelt? Selbst die Kirche pflegt diesen Brauch. Und die so selbstverständliche Kenntnis der Namen der drei Weisen aus dem Morgenland, woraus wird sie gewonnen? Bei einer Durchsicht der Synoptiker muss man feststellen, dass deren Namen nirgendwo genannt werden.
Gefangennahme Christi/Geisselung Christi
Christi Gefangennahme
Die Auferstehung (Noli me tangere)
Judaskuss
Ein beliebtes Thema stellte die malerische Umsetzung des Todes und der Auferstehung Marias dar, die im Neuen Testament nirgendwo erwähnt ist. Die bildnerischen Darstellungen gehen auf die frühe apokryphe Marienlegende „De Transitu Beatae Mariae Virginis“ zurück. Neben dieser gab es jedoch eine Vielzahl verschiedener Marienlegenden, die dem großen Interesse und der stetig wachsenden Verehrung der Person Mariens Rechnung trugen. Im Osten war der Glaube an die Himmelfahrt Mariens sehr viel früher allgemein anerkanntes Glaubensgut als im Westen. Neben der Umsetzung des Stoffes in der Ikonenmalerei fand er in der Buchmalerei, in Reliefs, aber auch in der Monumentalmalerei seinen Niederschlag. Das älteste Zeugnis einer Darstellung des Todes Mariens ist aus dem 8. Jahrhundert überliefert, es bezeugt, dass in der Jerusalemer Sions-Kirche dieses Ereignis abgebildet ist. Typische Elemente sind die Gruppierung der Apostel zu Mariens Füßen, je nach ihrem zeitlichen Entstehen auch die Aufteilung der Gruppe zu Füßen und am Kopf sowie die auf einem Bett liegende Maria, deren Arme meistens auf der Brust gekreuzt sind. Hinter dem Bett steht Christus mit Marias Seele. Darüber schweben zwei Engel, um ihre Seele in Empfang zu nehmen.
Ein anderes Thema der Apokryphen, das in der Kunst thematisiert wurde, ist die so genannte Höllenfahrt Jesu. Sie nimmt in den Pilatusakten breiten Raum ein. Auch von ihr wird an keiner Stelle in den kanonischen Evangelien berichtet. Wesentliche Elemente dieser Darstellung sind Christus, der größer ist als die übrigen Personen, Adam und Eva sowie Hades, der Adam fassen möchte, welcher jedoch von Christus gehalten wird. Über Adam ist meist Eva angeordnet und über ihr die geöffneten Höllentore und zwei gekrönte Männer in Sarkophagen; meistens handelt es sich dabei um die Könige David und Salomon.Zu finden sind diese Bilder z. B. in den Höhlen Kappadokiens als Wandfresken oder im Sinai-Kloster als Diptychon, ferner auf unzähligen Ikonen und Randminiaturen der Buchkunst. Im Lauf der Zeit änderte sich die Anordnung der
Personengruppen, es wurden teilweise Gestirne hinzugefügt. Ferner lassen sich anhand der Art und Weise der Darstellungen Unterschiede zwischen der byzantischen und der westlichen Kunst aufzeigen, auf die hier aber nicht eingegangen werden kann.
Aber auch in der Literatur lassen sich Einflüsse der Apokryphen nachweisen. So wurde die Mariendichtung in ihren Motiven von ihnen beinflusst. Prudentius, ein Dichter des Altertums, verwendete apokryphe Themen für seine Marienlieder, ebenso die mittelalterliche Nonne Roswitha. Auch Literaten des 20. Jahrhunderts griffen darauf zurück. Rilkes „Marien-Leben“ bediente sich apokrypher Stoffe. Felix Timmermann nahm in seinem Buch „Das Jesuskind in Flandern“ ebenfalls Motive aus den apokryphen Kindheitsevangelien auf. Das Interesse an diesen Texten ist also bis heute ungebrochen.
T EIL B
D AS P ROTEVANGELIUM DES J AKOBUS
Das Protevangelium des Jakobus gehört zu den Kindheitsevangelien und damit zu jenen apokryphen Werken, die den überlieferungsgeschichtlich bedeutendsten Teil der Apokryphen darstellen. Keine andere Evangelienart wurde in so vielen verschiedenen Fassungen weitergegeben wie das Pseudo-Matthäusevangelium, die Kindheitsgeschichte nach Thomas oder das Protevangelium des Jakobus. Und obwohl sie von der Kirche nie anerkannt und oftmals wegen Geschmacklosigkeiten und Derbheiten verurteilt wurden, erfreuten sie sich beim Kirchenvolk wegen ihrer legendarischen Darstellungen großer Beliebtheit. Die Kindheitsevangelien geben Antworten auf viele Fragen, die in den kanonischen Evangelien entweder ungenügend oder gar nicht beantwortet werden: Wie sah die Kindheit Jesu aus? Was tat der junge Jesus, zeigte sich seine Göttlichkeit schon in frühen Jahren? Aber auch der familiäre Hintergrund Jesu, über den in den synoptischen Schriften kaum berichtet wurde, stand im Interesse der Gläubigen. Man wollte
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