Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
später, als ein Haus gebaut wurde und es großen Lärm gab, trat Jesus hinzu und ging nahe heran. Da sah er einen Menschen tot daliegen und nahm seine Hand, indem er sprach: „Ich sage dir, Mensch, steh auf und tu deine Arbeit!“ Und sofort stand er auf und warf sich vor ihm nieder.
(2) Als aber die Leute das sahen, staunten sie und sprachen: „Dieser Junge ist himmlisch, denn viele Seelen hat er vom Tod gerettet, und er kann retten sein ganzes Leben lang.“
19. K APITEL
Lk 2,41–50: „Seine Eltern gingen Jahr für Jahr nach Jerusalem zum Feste des Pascha. Als er zwölf Jahre alt wurde und sie der Festsitte gemäß nach Jerusalem hinaufzogen, und die Tage vollendet hatten, blieb der Knabe Jesus, während sie heimkehrten, in Jerusalem, ohne daß seine Eltern es merkten. In der Meinung, er sei bei der Pilgergruppe, legten sie eine Tagesreise zurück und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. Da sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn. Nach drei Tagen geschah es, da fanden sie ihn im Tempel, mitten unter den Lehrern sitzend, auf sie hörend und sie befragend. Alle, die ihn hörten, staunten über seine Einsicht und seine Antworten. Als sie ihn sahen, waren sie sehr betroffen, und seine Mutter sagte zu ihm: ‚Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!‘ Er antwortete: ‚Warum suchtet ihr mich? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?‘ Doch sie begriffen nicht das Wort, das er zu ihnen sagte.“
(1) Als er zwölf geworden war, gingen seine Eltern dem Brauch gemäß nach Jerusalem zum Passahfest gemeinsam mit ihren Weggefährten, und nach dem Passah machten sie sich wieder auf die Rückreise. Auf dem Heimweg kehrte der Junge Jesus um nach Jerusalem. Seine Eltern aber dachten, er sei bei den Weggefährten.
(2) Als sie eine Tagereise gewandert waren, suchten sie ihn unter ihren Verwandten, aber weil sie ihn nicht finden konnten, wurden sie traurig und kehrten wieder um in die Stadt, um ihn zu suchen. Und nach dem dritten Tag fanden sie ihn im Tempel, wo er inmitten der Lehrer saß, ihnen zuhörte und zu ihnen sprach. Alle aber achteten auf ihn und staunten, wie er, noch ein Junge, die Ältesten und Lehrer des Volkes zum Schweigen brachte, indem er ihnen die Hauptteile des Gesetzes und die Sprüche der Propheten erklärte.
(3) Seine Mutter Maria aber ging auf ihn zu und sagte zu ihm: „Warum hast du uns das angetan, Kind? Siehe, voll Schmerzen haben wir dich gesucht.“
Da erwiderte ihnen Jesus: „Was sucht ihr mich? Wisst ihr denn nicht, dass ich im Eigentum meines Vaters sein muss?“
Lk 2,51–52: „Und er zog mit ihnen hinab, kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Seine Mutter aber bewahrte alle diese Dinge in ihrem Herzen. Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und ‚Gnade bei Gott und den Menschen‘.“
(4) Die Schriftgelehrten und Pharisäer aber fragten: „Bist du die Mutter des Jungen?“
Sie antwortete: „Ich bin es.“
Und sie sagten zu ihr: „Glücklich zu schätzen bist du unter den Frauen, denn Gott hat die Frucht deinesLeibes gesegnet. Denn eine solche Herrlichkeit, eine solche Tüchtigkeit und Weisheit haben wir weder jemals gesehen noch gehört.“
(5) Jesus aber stand auf und folgte seiner Mutter, und er war seinen Eltern gehorsam. Seine Mutter jedoch bewahrte alles, was geschehen war. Jesus aber gewann an Weisheit, Alter und Anmut.
Ihm sei Ehre bis in alle Ewigkeit, Amen.
D AS E BJONITENEVANGELIUM
Es war der Apostel Paulus, der sich im 1. Jahrhundert wie kein anderer für die Öffnung der christlichen Bewegung zu den „Heiden“ einsetzte. Sein Werk war wegweisend: Das Christentum grenzte sich seit Paulus zunehmend vom Judentum als seiner Mutterreligion ab. Und doch gab es noch längere Zeit Kreise, die diese Entwicklung ablehnten und das jüdische Gepräge des Christentums bewahren wollten. Zu diesen „Judaisten“, Judenchristen konservativer Prägung, gehörten auch die Ebjoniten oder Ebionäer
.
Viel weiß man nicht von dieser Gruppierung, die erstmals im späten 2. Jahrhundert von Irenäus genannt wird, und die frühchristlichen Schriftsteller bieten zum Teil wenig eindeutige und zuverlässige Informationen. So setzt Hieronymus sie gleich mit den Nazaräern, einer anderen judenchristlichen Bewegung, andere führen sie auf einen Gründer namens Ebjon zurück. Doch einen solchen Gründer hat es wohl kaum gegeben, denn Ebjon (’œbjōn) ist
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