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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Jesus verlässt nun diesen Kreis. Dass hier von dreizehn Jüngern die Rede ist, dürfte dem bibelvertrauten Leser etwas sonderbar erscheinen, denn in den kanonischen Evangelien gibt es nur zwölf Apostel, wovon Judas einer ist. Erst nach der Auferstehung Jesu wird sein Platz durch eine Neuwahl aufgefüllt
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    Im folgenden Teil trägt Judas nun seine Vision vor, in der er von den anderen zwölf Jüngern gesteinigt wird. Jesus redet ihn nun mit Daimon an, was ursprünglich nicht Dämon, sondern geistiges Wesen bedeutete. Das verweist darauf, dass Judas als geistiger Mensch nicht zur Gruppe der zwölf unverständigen Jünger zählt. Jesus versichert Judas, dass dieser vor seinem eigenen Tod keine Angst haben muss, da er nach dem Abstreifen der körperlichen Hülle zurück ins Reich des rein Geistigen kehren wird, während die anderen Zwölf dort keinen Einlass erhalten werden
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    Nun erzählt Jesus Judas alles über die kosmische Weltschöpfung bis hin zur Schaffung des Menschen. Die Welt ist nicht das Produkt des absoluten Gottes, sondern einer niederen Größe, die selbst erst im Laufe des Schöpfungsprozesses erschaffen wurde. Vor diesem Schöpfergott mit Namen El, ein Gottesnamen des biblischen Gottes, existierten bereits unendlich viele andere göttliche Wesen. El lässt die Welt nun durch die Engel Saklas, was Narr heißt und Nebro, was so viel wie Aufrührer bedeutet, schaffen. Nebro, der auch als Jaldabaoth (Kind des Chaos) bezeichnet wird, hat ein feuersprühendes Gesicht und eine von Blut befleckte Gestalt. Mit dieser Beschreibung der Weltschöpfer ist alles über den Wert der Welt gesagt. Sie ist schlecht
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    Abschließend belehrt Jesus Judas über die Notwendigkeit seines Verrats, da dadurch die leibliche Hülle Jesu vernichtet wird. Nur so kann er in seine geistige Heimat zurückkehren. Von der Bedeutung des Todes Jesu als eines Sühneopfers für die Sünden der Menschheit, wie ihn die sich entwickelnde Großkirche vertrat, ist dieser Text weit entfernt. Dass das Judasevangelium just mit dem Verrat des Judas und nicht wie die kanonischen Evangelien mit der Auferstehung Christi endet, hängt ebenso mit seiner gnostischen Ausrichtung zusammen. Durch den körperlichen Tod ist die Seele befreit und kann in ihre geistige Heimat zurückkehren. Eine leibliche Auferstehung ist gerade das, was die Gnosis um jeden Preis verhindern möchte, da das Fleisch als Teil der Materie etwas Übles ist
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    Wie bereits bemerkt, verurteilte Irenäus das Judasevangelium ob seiner gnostischen Ausrichtung und sprach es einer Gruppe zu, die er als Kainiten, als Anhänger des alttestamentlichen Brudermörders Kain, bezeichnet. Ob es sie je gab, oder ob Irenäus bei der Vorstellung ihrer Lehren seiner Phantasie freien Lauf ließ, lässt sich nicht sicher sagen. Einiges spricht aber für die letztere Annahme. Gesetzt den Fall, es gab diese Gruppe tatsächlich, so ist es aber dennoch unklar, ob das Judasevangelium von ihnen verfasst oder von ihnen nur als eine unter anderen Schriften verwendet wurde. Die Kainiten verehrten der Aussage des Irenäus zufolge Kain, weil er gegen den Gott des Alten Testamentes rebellierte. In der Konzeption der Gnostiker eine höchst löbliche Tat, da der alttestamentliche Gott nur der unzulängliche Schöpfer der Welt ist, nicht aber die absolute Gottheit, welche nur jenseits alles Geschaffenen zu finden ist. Jeder im Alten Testament, der sich gegen den jüdischen Gott auflehnt, wird zu einer wichtigen Gestalt, weil er über das echte, d. h. das gnostische Wissen verfügt
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    Doch unabhängig davon, in welches gnostische System Irenäus dieses Evangelium einordnete, die moderne Gnosisforschung sieht darin deutlich Züge der sethianischen Gnosis vertreten. Diese ist nach Seth, dem dritten Sohn von Adam und Eva, benannt. Die Figur des Seth hat allerdings in den Texten dieser gnostischen Richtung unterschiedliche Funktionen. Einmal ist er selbst der Vermittler der gnostischen Weisheit, in anderen Texten ist er nur der Ahnherr der gnostischen Menschen, die den göttlichen Lichtfunken in sich tragen. Dennoch gibt es einige verbindende Kennzeichen wie den Glauben an ein oberstes Wesen, meist der Große oder der Geist genannt, das nicht erkannt werden kann, an Barbelo und an das durchsie hervorgebrachte selbsterzeugte Kind, im Judasevangelium als selbsterzeugter Engel beschrieben. Auch Barbelo wird im Judasevangelium namentlich erwähnt, als Judas auf Jesu Herkunft aus dem Äon der unsterblichen Barbelo verweist
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    Der

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