Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Mandelspeise.»
Blettner hob den Finger. «Die Biersuppe nehme ich auch, danach aber die Salzheringe und ein Stück Butterkuchen.»
Pater Nau schwieg. So lange, bis das Schankmädchen ihn leise anstieß. «Und Ihr, Hochwürden?»
Der Pater sah sich um, als bemerke er jetzt erst, dass er sich in der Ratsschänke befand. «Ich nehme das, was mein Bruder da», er zeigte auf den Antonitermönch, «bestellt hat.»
«Du sorgst dich sehr, nicht wahr?» Mit ernstem Gesicht wandte sich Bruder Göck an den Pater.
«Natürlich sorge ich mich», erklärte der Pater mit ausgebreiteten Armen. «Gustelies ist meine Schwester. Der einzige Mensch, der immer für mich da war.»
Blettner nickte gedankenschwer. «Und nach deiner Mutter die einzige Frau in deinem Leben, nicht wahr?»
Es war nichts Anzügliches in Blettners Worten, nur Verständnis. «Wir werden uns etwas überlegen müssen», meinte er. «Es kann doch nicht angehen, dass jemand einen Kummer mit sich herumträgt und die Freunde und die Familie nicht helfen können.»
Das Schankmädchen kam und brachte drei Teller mit Biersuppe, dazu kräftiges Sauerteigbrot.
«Ach, lass mal», mischte sich Bruder Göck ein und kostete vorsichtig von der heißen Suppe. «Köstlich!», brummte er, dann sprach er weiter: «Sie hatte heute bestimmt nur einen schlechten Tag. Morgen wird sie sicher etwas besonders Leckeres kochen. Kann gut sein, dass ich dann auch einmal zufällig vorbeischaue.»
Pater Nau verzog den Mund und schüttelte den Kopf. «Nein, ich fürchte, du irrst dich, lieber Freund.» Er zog Luft durch die Zähne, weil er sich an der heißen Suppe die Zunge verbrannt hatte.
Jetzt nickte der Mönch. «Ich wollte dich nur trösten, aber du hast wohl recht, da ist etwas Ernstes im Busch», mutmaßte er. «So habe ich Gustelies noch nie erlebt. Und ich kenne sie jetzt seit beinahe dreißig Jahren. Irgendetwas bedrückt sie. Und das schon seit einigen Wochen.»
Pater Nau betrachtete seinen Freund, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. «Seit einigen Wochen? Woher weißt du das? War sie nicht vorgestern noch wie immer?»
Der Antonitermönch schüttelte betrübt den Kopf. «Früher hat sie manchmal in der Küche gesungen. Oder sie hat mich gescholten, weil ich Dreck auf den Küchenboden von draußen hereingeschleppt oder weil ich schon zum dritten Mal nach der Kanne mit dem guten Dellenhofener gegriffen habe. Aber seit dem letzten Fall ungefähr, seit die Säuglinge da sind, ist das nicht mehr passiert. Erst neulich, nach dem Gewitter, habe ich Pfützen auf dem Küchenboden hinterlassen. Und Gustelies? Kein Wort. Nicht ein einziges. Sie hat den Putzlumpen geholt, geseufzt und den Schmutz weggewischt.» Er wandte sich an Pater Nau. «Wann hat sie denn zuletzt mit dir geschimpft?»
Der Pater zog die Stirn kraus. «Heute Morgen. Sie hat Buchweizengrütze verschüttet, und ich habe das Donnerwetter abgekriegt.»
Richter Blettner schob den leeren Teller von sich. «Mir hat sie heute vorgeworfen, dass sie für mich nichts weiter ist als eine Essenslieferantin.»
«Genau!» Bruder Göck fuchtelte mit dem Finger in der Luft herum. «Als Nährmutter hat sie sich heute betitelt.»
Der Pater trank einen Schluck Rotwein. Dann sagte er leise: «Ich glaube, sie fühlt sich alt. Ich glaube, sie hat den Eindruck, dass niemand sie mehr braucht.»
Richter Blettner schoss in die Höhe. «Aber das stimmt doch gar nicht. Wir brauchen sie. Hella, die Kinder und ich.»
«Ja, das stimmt. Aber braucht ihr Gustelies als Mensch oder als Dienstbotin?» Bruder Göck blickte den Richter fragend an.
«Ähm. Ja. Na ja …», stotterte Blettner.
Eine kleine Weile schwiegen die drei Männer. Das Schankmädchen kam und stellte die Teller mit den Heringen, den Nierchen und dem Wurzelgemüse auf den Tisch. Blettner griff nach dem Teller mit den Fischen und begann, den ersten mit dem Messer säuberlich vom Kopf bis zum Schwanz zu zerteilen. «Und was sollen wir jetzt tun?», fragte er dabei.
«Ja, was?» Pater Nau und Blettner schauten den Antonitermönch fragend an. Der schob sich den ersten Löffel Rindernierchen in den Mund und fragte kauend: «Woher soll ich das wissen? Ich lebe in einem Kloster, ich habe nichts mit Weibern zu schaffen. Seht mich nicht an, ich weiß von nichts.»
Blettner biss sich auf die Unterlippe. «Weiber lieben Blumen und Zierkram. Spangen und Kämme und Nadeln und Broschen und Borten für die Kleider und Stickzeug», erklärte er.
Der Pater riss die Augen auf.
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