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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Friedhof.»
    «Und wer wurde da wann begraben?» Gustelies ließ nicht locker.
    «Keine Ahnung.»
    «Ich habe gestern die Leiche eines jungen Mädchens in diesem Grab gesehen. Kann es sein, dass es hier noch mehr frische Grabstellen gibt, von denen du nicht weißt, wer darin liegt?»
    Wieder kratzte sich der Totengräber am Kopf.
    «Na, was ist?»
    Unglücklich sah der Mann sie an. «Wisst Ihr, Gustelies. Der Sommer ist heiß, und ich bin alt. Manchmal halte ich ein Schläfchen, wenn die Sonne gar zu sehr brennt.»
    «Aha!» Gustelies fuchtelte ihm drohend mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. «Du säufst den ganzen Tag, und wenn du einen kräftigen Rausch hast, dann schläfst du ihn aus, nicht wahr?» Sofort trat der Totengräber einen Schritt zurück.
    «Was wisst Ihr denn von meinem Beruf! Jeden Tag die ganzen Leichen, jeden Tag nur Elend und Tod. Den möchte ich sehen, der das ohne Branntwein aushält.»
    «Ich verstehe dich ja. Aber was geschieht jetzt? Du weißt, dass ich das frische Grab meinem Schwiegersohn, dem Richter, melden muss.»
    Wieder kratzte sich der Totengräber am Kopf. «Gibt es keine andere Möglichkeit?»
    Gustelies seufzte. «Eigentlich nicht. Es sei denn, dir fällt noch ein, wer da in dem Grab liegen könnte. Und ob es noch weitere ‹plötzliche Gräber› gibt, an die du nicht deine Hand gelegt hast.»
    Der Totengräber war blass geworden. «Ich habe Frau und Kinder. Wir alle leben von dem bisschen, was ich hier verdiene.»
    «Dann strenge dich umso mehr an.» Gustelies’ Miene blieb unerbittlich.
    Nach einer Weile des Schweigens, die der Totengräber mit gefurchter Stirn verbrachte, sagte er schließlich: «Nur in der letzten Woche. Vorher noch nie.»
    «Was sagst du da?»
    «In der letzten Woche, da war schon einmal so ein aufgeschütteter Haufen. Ich hatte das Grab ausgehoben, um die alte Kannengießerwitwe unter die Erde zu bringen. Ihr Leichnam lag schon in der Kapelle und sollte am nächsten Tag beerdigt werden. Aber als ich am Morgen nach dem Grab schauen wollte, da war es zugeschüttet. Ich wusste mir nicht zu helfen und hob in aller Eile eine neue Grube aus. Dort haben wir dann die Kannengießerin beerdigt. Und nun dieses hier.»
    «Hmm.» Gustelies legte einen Finger an ihren Mund. «Das heißt also, dass hier möglicherweise zwei Tote unrechtmäßig bestattet worden sind. Aber wer könnte das sein? Weißt du, ob jemand vermisst wird in der Stadt? Du hörst viel, kommst viel herum. Hast du sonst noch etwas auf dem Friedhof bemerkt? Etwas, das dir merkwürdig vorkam?»
    Der Totengräber starrte auf seine dreckigen Schuhspitzen. «Nein», erwiderte er. «Es war alles wie sonst. Nichts habe ich bemerkt, gar nichts.»
    «Schau mich an!», befahl Gustelies. «Und wiederhole, was du gesagt hast.»
    Der Totengräber sah auf, und Gustelies konnte den Schweiß auf seiner Stirn erkennen. Mit flackerndem Blick wiederholte er: «Es war alles wie sonst.»
    «Lüge mich nicht an.»
    Die Unterlippe des Totengräbers begann zu zittern. Er packte mit beiden Händen Gustelies’ Arm. «Lasst es gut sein, lasst die Fragen. Ich versichere Euch, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht.»
    «Lüge mich nicht an!», wiederholte Gustelies, eine Spur schärfer. «Entweder, du sagst mir jetzt, was ich wissen will, oder ich gehe schnurstracks zum Richter Blettner.»
    Dem Mann stiegen die Tränen in die Augen. «Also gut. Letzte Woche, die Grube. Ich weiß, wer darin liegt.»
    «Ach ja? Und wer?»
    Der Totengräber trat unruhig von einem Bein auf das andere. «Ein junger Mann. Einer von den fahrenden Leuten. Brave Katholiken. Er ist krank geworden, kurz nachdem die Fahrenden Nürnberg verlassen hatten. Ich konnte ihn nicht auf dem Schindanger begraben, wie es eigentlich den Leuten seines Standes zukommt.»
    «Und warum nicht?»
    Der Totengräber schluckte. «Habt Ihr nicht gehört, was der Prediger gesagt hat und was sich die anderen Leute erzählen? In Nürnberg, da soll die Pest umgehen!!»
    «Und? Was hat das mit dem Zigeuner zu tun?»
    «Na ja.» Der Totengräber kratzte sich am Kinn. «Auf dem Schindanger besteht die Gefahr, dass die wilden Hunde den Toten ausgraben. Und wenn er die Pest hatte, hätten die Hunde vielleicht die Seuche in die Stadt gebracht. Außerdem dauerte mich seine Mutter. Er war noch so jung, gerade sechzehn Jahre alt. Sie sagte, er wäre so fromm, wie man nur sein könnte.»
    Auf der Stelle war Gustelies besänftigt. «Du hast recht gehandelt, Totengräber. Ich sollte dir

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