Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
ist das. Und ich bin hier alleine, und der ganze Haushalt hängt an mir. Du bist mir auch nicht gerade eine große Hilfe.»
Heinz Blettner wedelte großzügig mit der Hand durch die Luft. «Das wird schon wieder, das wird alles wieder. Ich habe beim Eduard vom Roten Ochsen ein Essen für sechs Personen bestellt.»
Das Gesicht seiner Frau hellte sich auf. «Der Schultheiß hat den Kämmerer angewiesen, es zu zahlen», fuhr Blettner fort. «Das Mahl wird direkt ins Pfarrhaus geliefert.»
«Aha!» Hella blickte traurig in ihren Schoß.
«Was ist denn, Liebste?»
«Ich dachte, dich kümmert tatsächlich, wie es mir geht. Ich dachte, du hättest das Essen bestellt, um mir eine Sorge abzunehmen, mir etwas Gutes zu tun. Dabei hast du nur wieder deine Arbeit im Kopf.»
Richter Blettner sog die Luft durch seine Zähne. Himmel, sie hat recht, dachte er. Ich hätte mich geschickter ausdrücken müssen. Er presste den Kopf seiner Frau gegen seinen Bauch und streichelte ihre Wange. «Ich habe es für dich getan, Liebste. Der Schultheiß wollte, dass ich Pater Nau, Bruder Göck, Gustelies und Jutta Hinterer in die Ratsstube einlade. Der neue Prediger, du weißt schon, er muss aus der Stadt, bevor die Abgesandten des Erzbischofs zum Hirschessen kommen. Es hat mich Kraft und Zeit gekostet, Krafft von Elckershausen davon zu überzeugen, dass so ein Treffen besser nicht vor den Ohren der Stadt in der Ratsschänke, sondern hinter dicken Mauern stattfinden soll. Ich habe dabei an dich gedacht, Liebste. Und nun gehe dich umziehen. Ich kümmere mich um die Kinder. Und heute Abend, das wirst du erleben, werden sich deine Mutter und Jutta um Flora und Fedor reißen.»
Hella seufzte. Sie erhob sich so langsam wie eine alte Frau. Doch sie gehorchte und begab sich in die Schlafstube, um sich umzuziehen. An der Tür blieb sie allerdings stehen. «Du kannst die Kinder wickeln», schlug sie mit einem halben Lächeln vor. «Das ist ganz einfach. Tu es, während ich mich umziehe.»
Blettner nickte, nahm den Sohn aus seiner Wiege, pulte ihn aus den Tüchern, in denen er lag, und betrachtete dann die zahlreichen aufgereihten Mullbänder. «Wickeln? Wie soll ich das machen?» Hilflos hielt er die Bänder in der Hand. Einen Augenblick lang war ihm, als hörte er Hella kichern, doch dann rief sie zurück. «Fang einfach am Unterarm an. Umwickle ihn fest nach unten. Strecke die Fingerchen gerade und wickle darum. Dann wickle hinauf zum Ellenbogen, von dort zum Oberarm.»
Blettner legte den Säugling auf ein Fell auf den Küchentisch und fing Fedors rechtes Ärmchen ein. Er wickelte und wickelte, doch die Finger wollten sich einfach nicht strecken. Das Kindchen strampelte mit den Beinchen, quakte und kreischte, lachte und zappelte, und Richter Blettner war schon bald in Schweiß gebadet.
«Hella!», brüllte er. «Du musst mir helfen. Dieser kleiner Körper ist so glatt wie ein Fischbauch.»
Wieder hörte er seine Frau lachen, doch schon wenige Augenblicke später stand sie, angetan mit einem frischen Kleid und die Haare gut gebürstet, neben ihm. Mit raschen Handgriffen fing sie die kleine Hand des Säuglings, wickelte seine Arme in aller Kürze ein, umschlang sodann den zarten Körper mit einem besonders weichen Stoffstreifen, wickelte eine weitere Binde über Arme und Oberkörper bis hinab zu den Beinen, sodass der Kleine sich kaum noch bewegen konnte. Zwischen die winzigen Zehen, die für Blettner aussahen wie Zwergchampignons, stopfte Hella vorher Wollreste, damit keine Druckstellen entstanden. «Fertig», teilte sie ihrem Mann mit, drückte ihm den kleinen Sohn in den Arm und wandte sich Flora zu.
Eine halbe Stunde später verließen sie das Haus. Richter Blettner trug seine kleine Flora so behutsam in den Armen, als wäre sie aus Glas. Hella hatte Fedor an die Brust gepresst, und gemeinsam gingen sie durch die sommerwarme Stadt hinauf zum Liebfrauenberg. Immer wieder aber mussten sie stehen bleiben, um Bekannten die Kinder zu zeigen.
«Nein, wie herzig die beiden doch sind», fand Klärchen Gaube, die frühere Nachbarin des Pfarrhauses. «Und der Junge! Er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.»
Hella unterdrückte ein Kichern, doch als sie ein paar Schritte weitergegangen waren, stellte sie befriedigt fest: «Niemand hier ahnt, dass Fedor nicht unser eigener Sohn ist. Immer wieder sagen uns die Leute, wie ähnlich er dir oder mir sieht. Ist das nicht ein Zeichen des Himmels, dass wir recht daran taten, ihn als eigenen
Weitere Kostenlose Bücher