Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
es nicht angehen, dass er uns die Leute wegstiehlt. Gerade jetzt, wo wir auf jeden einzelnen Gläubigen angewiesen sind.»
Er stieß seinen Antoniterfreund in die Seite. «Sag, wollen wir uns den Mann nicht auch einmal anhören? Womöglich können wir einen Disput über die Hölle mit ihm führen.»
Bruder Göck wiegte zweifelnd den Kopf.
«Was ist er eigentlich, dieser Prediger?», wollte Hella wissen. «Ich habe ihn noch nie gesehen oder gehört. Ich komme ja nicht dazu mit den Kindern.»
«Papiermacher ist er, das zumindest hat er mir heute erzählt. Aber jetzt lasst einmal sehen, was uns der Ochsenwirt in die anderen Töpfe gefüllt hat.»
Er langte nach dem Topfdeckel, doch Gustelies gab ihm einen Klaps auf die Finger. «Erst geht jemand in den Keller und holt Wein herauf. Vorher gibt es keinen einzigen Bissen.»
Blettner hatte sich gerade seufzend erhoben, als es ungeduldig klopfte. Gustelies eilte zur Tür, und sogleich stürmte Krafft von Elckershausen an ihr vorüber und hinein in die Pfarrhausküche. Keuchend ließ er sich auf die Bank fallen.
«Was ist los?», fragte Blettner.
«Eine Leiche», stammelte der Schultheiß. «Die Büttel haben gerade eine Leiche gemeldet. Sie liegt auf dem Friedhof in einem offenen Grab.»
Gustelies blieb der Mund offen stehen. «Trägt sie ein weißes Gewand, die Leiche?»
Krafft von Elckershausen fuhr herum. «Woher wisst Ihr das?»
«Nun, Ihr erinnert Euch sicher, dass ich Euch gestern auch eine Leiche auf dem Friedhof gemeldet habe, nicht wahr?»
Der Schultheiß nickte zerknirscht, und Blettner betrachtete eingehend die Maserung der Tischplatte vor sich.
«Und meine Leiche trug ein weißes Kleid. Die Adele Goldschläger war es, wie mir schien. Ich war schon in der Goldschlägergasse. Dort hat man mir bestätigt, dass sie seit ein paar Tagen verschwunden ist. Und wer wurde jetzt gefunden?»
Krafft von Elckershausen wischte sich mit einem Tuch über sein Gesicht. «Ich habe doch auch keine Ahnung. Gerade eben zeigten mir die Büttel nur ihren Fund an, und ich bin gekommen, um den Richter zu holen. Er soll sich mit eigenen Augen diese … diese Angelegenheit anschauen.»
«Trägt sie das Aschenkreuz auf der Stirn? Wie lange ist sie schon tot? Was sagt der Totengräber? Oder liegt der wieder betrunken in einer der großen Grüfte?»
Krafft von Elckershausen hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und erklärte: «Nirgends Ruhe, nirgends Frieden. Hier ist es ja wie bei mir zu Hause. Woher soll ich das alles wissen? Ich muss ja erst noch zum Friedhof hinausgehen.»
«Gut», erklärte Gustelies. «Ich komme auch mit. Schließlich bin ich die wohl Einzige, die sagen kann, ob die Leiche von heute mit der von gestern identisch ist.»
Sie deutete mit dem Finger auf ihre Freundin Jutta. «Du könntest ruhig auch mitkommen. Schließlich kennst du Gott und die Welt in dieser Stadt. Vielleicht weißt du ja, wer da in der Grube liegt.»
Jutta war auf der Stelle einverstanden und erhob sich.
«Halt! Halt!» Krafft von Elckershausen schlug leicht mit der Hand auf den Tisch. «Was soll denn das? Wir müssen einen Leichenfundort besichtigen. Das ist doch kein Familienausflug!»
Aber Gustelies stand schon an der Tür. «Pater!», befahl sie. «Du achtest mir auf die Töpfe. Dass ja noch etwas da ist, wenn wir wiederkommen. Hella, du passt auf den Pater, auf Bruder Göck und die Kinder auf.»
Mit diesen Worten riss sie die Tür auf und stapfte entschlossenen Schrittes in Richtung Friedhof.
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Kapitel 15
A temlos langte die kleine Schar, angeführt vom Schultheißen, auf dem Friedhof an. Am Tor stand schon der Totengräber. «Ich kann nichts dafür, Ihr hohen Herren. Ich weiß nicht, wie die Leiche dorthin gelangt ist. Am anderen Ende des Gottesackers habe ich wohl eine Grube ausgehoben. Ich kann meine Augen doch nicht überall haben.»
«Schon gut, schon gut.» Blettner schlug dem Mann freundlich auf die Schulter. «Niemand macht dir einen Vorwurf. Wo befindet sich die Leiche?»
Der Totengräber wies mit der Hand auf die Wand, an der die hochgestellten Persönlichkeiten begraben lagen. «Dort, zwischen der Gruft der Hellerfamilie und der Familie von Leit, direkt bei den Gontards. Einer von Euch ist schon da. Er sagt, er wäre der Leichenbeschauer.»
«Stimmt, da ist er ja.» Der Schultheiß riss den Arm hoch und winkte Eddi Metzel zu. Schon von weitem fragte er: «Und, was habt Ihr herausgefunden?»
Der Leichenbeschauer hockte am Grubenrand.
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