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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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«Bisher nichts. Wie auch? Sie liegt ja noch dort unten. Äußerlich sind von hier aus keine Verletzungen zu sehen. Aber das will nichts heißen. Ich brauche sie auf dem Tisch in der Halle des Henkers.»
    «Natürlich, natürlich.» Krafft von Elckershausen sah sich um, als wolle er gleich nach den Bütteln rufen, doch die hatten es sich beim Totengräber bequem gemacht. Endlich gelang es ihm, einen von beiden auf sich aufmerksam zu machen. «Geh und hole einen Karren. Wir laden die Leiche auf und bringen sie zum Henker. Der andere Büttel soll schon vorgehen, damit der Scharfrichter alles bereit hat, wenn wir kommen.» Die Büttel stoben davon, und der Schultheiß wandte sich wieder dem Grab zu.
    Blettner stand am Rand und betrachtete die Tote. Sie war kaum zwanzig Jahre alt. Ihr feines Gesicht war ohne Falten, zart und glatt wie eine Kastanie, wenn auch sehr bleich. Das lange Haar hatte man zu beiden Seiten der Schultern drapiert. In ihrer Hand hielt sie eine rote Rose, und auf ihre Stirn war tatsächlich ein Aschenkreuz gezeichnet.
    «Es ist ein Jammer, dass ein so junges schönes Ding so früh hat sterben müssen», klagte Blettner.
    Der Schultheiß hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und wippte auf den Ballen auf und ab. «Ich denke, das hier sieht eindeutig nach Selbstmord aus. Sie wird sich eine offene Grube gesucht und sich an deren Rand vergiftet haben, und nun liegt sie darin.» Er sah mit einem Schlag viel zufriedener aus. «Ja, ich wette, genauso war es.»
    Der Richter betrachtete seinen obersten Dienstherrn von der Seite. «Wäre es so, wäre es sehr einfach für uns. Keine Ermittlungen, kein Aufruhr, und wenn der Erzbischof zum Hirschessen kommt, so könnte man ihm nahelegen, dass die religiösen Unruhen in der Stadt den Bürgersleuten solche Angst machen, dass sie sich selbst das Leben nehmen.»
    Krafft von Elckershausen nickte begeistert. Er tippte dem Richter auf die Brust. «So ist es gewesen, und so wird es kommen. Der Fall ist gelöst. Trotzdem hat das arme Ding eine anständige Leichenschau verdient. Die Bücher müssen schließlich in Ordnung gehalten werden.»
    «Und wer hat ihr die Rose in die Hand gedrückt?», fragte Gustelies.
    «Und wer hat die Grube ausgehoben, wenn es doch der Totengräber nicht gewesen ist?», wollte Jutta Hinterer wissen.
    Krafft von Elckershausen zog die Augenbrauen in die Höhe. Dann wandte er sich dem Richter zu. «Blettner, wie oft habe ich Euch schon gesagt, dass Ihr Eure Schwiegermutter und deren Freundinnen aus den Ermittlungen heraushalten sollt? Die Weiber haben von nichts eine Ahnung, wissen nicht, wovon sie reden, aber tratschen in der ganzen Stadt herum, was ihrer Meinung nach passiert sein könnte. Sogar einen Erlass habe ich geschrieben, der es diesen», er zeigte auf Gustelies und Jutta, «Frauenzimmern da verbietet, sich einem Leichenfundort auch nur zu nähern.»
    Blettner breitete die Arme aus. «Mir sind die Hände gebunden», erklärte er. «Die Frauen machen, was sie wollen. Keine Achtung vor dem Rat und der Obrigkeit. Aber was ist nun mit der Rose und der ausgehobenen Grube? Das arme Ding da war viel zu schmal, um sie selbst auszuheben. Außerdem wäre ihr weißes Kleid dabei schmutzig geworden. Aber es ist blütenweiß. Sie sieht aus wie eine Braut. Eine Braut mit dem Zeichen der Buße auf der Stirn.»
    Der Schultheiß knurrte. «Sie wird einen Helfer gehabt haben. Ja, so ist es. Sie wird einem jungen Burschen schöne Augen gemacht haben, bis er ihr die Grube ausgehoben hat. Dann hat sie sich entleibt, und der junge Bursche hat ihr in seiner Trauer die rote Rose in die Hand gedrückt.»
    Jutta nickte, dann aber fragte sie: «Und warum hat der junge Bursche sie nicht von der Sünde der Selbsttötung abgehalten?»
    Krafft von Elckershausen schnappte nach Luft. «Warum? Warum? Weil er … äh … dringend wegmusste. Versteht Ihr? Wichtige Dinge erledigen. Und als er wiederkam, da war das Mädchen tot.» Er sah hilfesuchend zu Blettner, aber der schwieg und starrte auf das tote Mädchen.
    «Und die erste Leiche? Auch sie hat an dieser Wand gelegen, auch sie trug ein weißes Kleid und das Aschenkreuz», fragte Gustelies.
    «Hatte sie auch eine Rose in den Händen?», wollte der Schultheiß wissen.
    Gustelies schloss kurz die Augen, dann sagte sie: «Ich weiß es nicht. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern.»
    «Also hatte sie keine Rose. Ein Weib erinnert sich immer an solche unwichtigen Dinge. Wenn Euch nichts aufgefallen

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