Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
ist, Gustelies, dann gab es da auch keine Rose. Und wenn es keine Rose gab, so haben die beiden Fälle nichts miteinander zu tun. Zwei junge Frauen haben sich selbst getötet. Das ist tragisch, das ist schrecklich, aber kein Grund, Ermittlungen aufzunehmen oder gar von Mord zu sprechen.» Der Schultheiß ruckte energisch an seiner Ratskette. «Lasst das Mädchen zum Henker bringen, Richter, dann fertigt ein ordentliches Protokoll an, und die Sache ist erledigt. Und keine Leichenöffnung, habt Ihr das gehört? So etwas ist ganz und gar unnötig. Außerdem würden die Kosten dafür in den Stadtbüchern auftauchen. Zwei tote Frauen vor dem Hirschessen. Das fehlte mir gerade noch. Habt Ihr mich verstanden, Blettner?»
«Ich habe Euch gehört, Schultheiß.»
«Gut. Dann werde ich ja wohl hier nicht mehr gebraucht. Es ist schon spät, mein Weib wartet. Einen gesegneten Abend wünsche ich.»
Ohne noch jemanden eines weiteren Blickes zu würdigen, stapfte der Schultheiß über den Friedhof davon.
Als er außer Hörweite war, fragte Blettner den Leichenbeschauer. «Was meinst du, Eddi? Sieht das hier nach Selbstmord aus?»
Eddi Metzel wiegte den Kopf. «Die Rose und die ausgehobene Grube. Das ist untypisch. Selbstmörderinnen gehen normalerweise ins Wasser. Ein paar hängen sich auch auf. Aber dass sie sich selbst eine Grube graben und mit einer roten Rose in der Hand hineinspringen, das habe ich noch nicht erlebt. Allerdings: Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die ich noch nicht erlebt habe, die es aber trotzdem gibt.»
Mittlerweile rumpelte der Leichenkarren heran. Der Büttel wischte sich den Schweiß von der Stirn. «Die Leiche soll also zum Henker?»
«Ganz recht», bestätigte Blettner. «Aber vorher muss sie raus aus der Grube. Der Totengräber soll euch dabei helfen.»
Gustelies stieß ihren Schwiegersohn sachte an. «Willst du wirklich tun, was der Schultheiß gesagt hat? Glaubst du etwa im Ernst, dass dies hier ein Selbstmord war? Und was ist mit dem anderen Grab? Mit der Adele, die in einer Grube bei den von Zehlens liegt? Willst du sie nicht auch gleich herausholen?»
Blettner zog die Mundwinkel nach unten und die Schultern nach oben. «Was soll ich denn machen? Der Schultheiß hat hier das Sagen. Er ist der Oberste Hüter der Gerechtigkeit in dieser Stadt. Er hat nur von dieser Toten hier geredet.»
«Das weiß ich selbst. Glaubst du auch, was er sagt? Denkst du etwa auch, die beiden Mädchen haben freiwillig den Tod gesucht?», ließ Gustelies nicht locker.
Blettner schüttelte den Kopf. «Ganz so einfach wird der Fall nicht sein», erklärte er zögerlich.
«Das heißt also, dass du die Ermittlungen aufnehmen wirst?»
Blettner wand sich wie ein Aal, als wüsste er nicht, vor wem er mehr Angst haben sollte: vor Gustelies oder dem Schultheißen.
«Du hast selbst eine Tochter. Würdest du nicht wollen, dass sie einen Platz innerhalb der Friedhofsmauern bekommt? Eine christliche Aussegnung? Wenn du nicht ermittelst, so wird dieses Mädchen als Selbstmörderin nicht in geweihter Erde begraben. Sie kommt in die Hölle!»
Gustelies’ Stimme war immer lauter geworden, und Blettner wusste nicht, wohin er schauen sollte. Der Büttel erlöste ihn, als er rief: «Der Karren ist beladen. Wir können aufbrechen. Bitte folgt uns, Herr Richter.»
Der Totengräber brachte noch eine Decke, die er sanft über das Mädchen legte.
Blettner hob die Schultern, sah Gustelies und Jutta Hinterer an. «Ihr seht ja selbst, was los ist. Ich muss jetzt gehen.»
«Und das Mädchen?» Gustelies hielt ihren Schwiegersohn am Arm fest. «Was wirst du mit dem Mädchen tun?»
Eddi Metzel löste behutsam Gustelies’ Arm vom Wams des Richters. «Ich verspreche Euch hiermit hoch und heilig, dass ich versuchen werde, herauszufinden, woran das Mädchen gestorben ist. Sobald es auch nur den kleinsten Hinweis darauf gibt, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, wird der Richter ermitteln.»
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 16
N un, Eddi, was ist?»
Richter Blettner trat von einem Bein auf das andere. In der Leichenhalle, die sich direkt neben dem Henkershaus in der Vorstadt befand, roch es so muffig, dass es dem Richter auf den Magen schlug. Insbesondere, weil er gerade mal eine Suppe gegessen hatte. Die Wände der Halle waren feucht und an manchen Stellen mit Moos bewachsen. In eisernen Haltern steckten Pechfackeln, die zuckende Schatten an die Wand warfen. Mitten in der Halle stand ein riesiger Tisch,
Weitere Kostenlose Bücher