Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Blicken nach links und rechts. Doch da war niemand. Kein Mensch, kein Tier. Nur der Main schimmerte im Mondlicht, und manchmal konnte man seine Wasser leise ans Ufer schlagen hören.
«Ich bin mit dir gegangen, weil ich dachte, dass du dich nach ein wenig Liebe sehnst. Aber das tust du ja gar nicht. Deshalb gehe ich jetzt.» Sie sprach es, aber sie rührte sich nicht vom Fleck.
Der Retter lachte dunkel auf. «Jetzt sprichst du selbst von der Liebe. Ich dachte, sie wäre eine Erfindung?»
Wieder schluckte das Mädchen. «Ich meine die körperliche Liebe. Sie gibt es. Sie macht die Menschen glücklich, lässt sie für Augenblicke ihr jämmerliches Dasein vergessen. Du aber meinst eine Liebe, die so ähnlich ist wie die Liebe zu Gott. Und die, es tut mir leid, die gibt es nicht.»
Der Retter packte das Mädchen bei den Schultern und schüttelte sie. «Woher weißt du das?», brüllte er sie an, sodass seine Stimme in der dunklen Nacht deutlich zu hören war. In der Nähe kreischte ein Vogel auf, zwei Fledermäuse huschten dicht über ihren Köpfen. Eine Katze schrie jämmerlich, dann war wieder alles so ruhig wie zuvor.
Das Mädchen leckte sich nun über die Lippen, in ihrem Blick flackerten Gier und Angst zugleich.
«Gib mir einen Viertelgulden, dann zeige ich dir die Liebe», flüsterte sie. «Nur einen Viertelgulden, und du kannst alles mit mir machen, was du willst.»
Der Retter stieß sie von sich, sodass sie in das feuchte Gras stürzte. Sie lag, bog den Rücken, sodass ihre halbnackten Brüste sich ihm entgegenhoben. «Komm schon», raunte sie. «Komm, es wird dir gefallen.»
Er warf ihr einen Viertelgulden zu, und sie fing das Geldstück, biss darauf herum, dann ließ sie es in ihrem Mieder versinken. «Na komm!», lockte sie und leckte sich dabei die Lippen. «Komm schon, ich weiß doch genau, dass du es auch willst.» Sie bog den Rücken noch stärker durch, bot ihm ihren Schoß dar, zerrte das schmutzige Kleid über ihre Schenkel und spreizte die Beine.
Mit einem Mal wurde es dem Retter schwarz vor Augen. Er roch den Urduft des Weibes, hatte noch nie den Schoß eines Mädchens gekostet, doch er spürte, wie das Blut heiß durch seine Lenden rieselte. In seiner Körpermitte regte sich das Fleisch.
Er biss sich in den Handballen, so heftig, dass er blutete. Und als er das Blut in seinem Mund schmeckte, wurde er wieder klar und ruhig.
«Ich komme», flüsterte er. «Aber vorher lass uns etwas Wein trinken.»
Er kramte in seinem Lederbeutel, zog eine Kanne heraus, löste den Korken und setzte dem Mädchen das Gesöff an die Lippen. Und das Mädchen schluckte, doch so schnell, wie der Retter goss, so schnell konnte sie nicht schlucken. Sie prustete und hustete, sie wurde blau, wand sich in Krämpfen, bis sie schließlich still und mit verdrehten Gliedern liegen blieb.
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 25
H enn Goldschlag saß gewaschen und frisch rasiert am Küchentisch, doch sein Gesicht wirkte noch grauer und eingefallener als vor dem gestrigen Bad. Er sprach kein Wort, sondern starrte auf die Tischplatte. Hin und wieder bebte sein Körper vor unterdrücktem Schluchzen.
Gustelies, die ihn am Tag zuvor nur widerwillig alleingelassen hatte und nun sehr zeitig wiedergekommen war, stand am Herd und rührte in einem Topf. Jedes Mal, wenn Henn einen Laut von sich gab, zuckte sie zusammen. Den Schmerz darüber, das eigene Kind zu verlieren, wollte sie sich gar nicht vorstellen.
Sie hatte noch ein paar eingesalzene Rindsknochen gefunden, aus denen sie jetzt eine kräftigende Suppe kochte. Im Garten hatte sie ein halbes Dutzend Mohrrüben und etliche Pastinaken ausgegraben, die sie nun in die Suppe schnitt.
«Wo ist Adele jetzt?», fragte Henn, nachdem er lange geschwiegen hatte.
«Auf dem Friedhof immer noch.» Gustelies sprach zögernd und vermied es dabei, dem Trauernden in die Augen zu sehen.
«Ist sie schon richtig beerdigt? Mit allem Drum und Dran?»
Was soll ich jetzt sagen, überlegte Gustelies. «Na ja, beerdigt ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Sie liegt aber schon auf dem Friedhof.»
Henn hob den Kopf, und Gustelies erschrak über die Trostlosigkeit in seinen Augen. Was soll ich tun, überlegte sie hastig. Soll ich ihm sagen, dass sie einfach so, ohne Sarg und alles, in der Grabstätte der von Zehlens ruht? Und was dann? Dann wird man sie vermutlich wieder ausgraben, ihr einen Sarg zimmern und sie an einem anderen Ort bestatten. Aber wie viel Leid geht damit einher? Henn wird
Weitere Kostenlose Bücher