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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Wenn er denn überhaupt kam! Aber Gustelies war sich da recht sicher. Sie hatte nämlich mit Gott einen Handel abgeschlossen: Sie hatte die Feindschaft mit Klärchen Gaube beendet, ja, sie hatte ihr sogar ein neues Auskommen besorgt, und dafür schickte der Herr heute den Mörder, damit Hella bald nach Hause kam. Ihr schien der Handel nur recht und billig, und wenn Gott wirklich der Gott war, an den sie glaubte, so musste er heute einfach den Mörder zur Beichte schicken.
    In der Kirche war es mittlerweile ein wenig dunkler geworden. Die Kerzen auf dem Altar warfen zuckende Schatten an die Wände, und Bruder Göck wusste nicht mehr, wie er sich noch drehen konnte, ohne dass ihn die Fransen auf dem Kopf oder im Nacken kitzelten. Er saß unter dem Altar wie ein Buddha, hatte die Füße zum Schneidersitz verschlungen und wiegte sich hin und her, um seinen steifen Rücken zu erleichtern. Noch nie im Leben hatte er das Weltliche so gehasst wie gerade jetzt. Die Leute mit ihren Verfehlungen, die geduckt in den Beichtstuhl schlüpften und mit geradem Rücken wieder herauskamen. Meine Güte, merkten sie denn nicht, dass es hier heute nicht um ihre kleinen Sünden ging, um den Klatsch über die Nachbarin, den gestohlenen Kuss, die sündigen Gedanken, den winzigen Diebstahl? Nein, sie merkten es nicht, hielten sich und ihr Anliegen für das Wichtigste auf der Welt. Oh, Bruder Göck sehnte sich so sehr nach der Abgeschiedenheit seines Klosters. Dort ging es um Gott, jawohl, einzig und allein um ihn, und sie alle, jeder einzelne Bruder, waren nichts als ein Werkzeug des großen Schöpfers. Der Antoniter wäre am liebsten unter seiner Altardecke hervorgekrochen, hätte die armen Sünder bei den Ärmeln gepackt und sie vor die Kirche gezerrt.
    «Sündigt nicht, so bräuchtet Ihr nicht zu beichten!», wollte er sie anschreien. «Geht nach Hause, seid gut zu Frau und Kindern und wagt es nicht noch einmal, mit Euren Banalitäten das große Werk Gottes zu beschmutzen. Hinfort mit Euch, hinfort mit Euch!»
    Doch er war verdammt, unter dem Altar zu hocken und zu warten, bis der Herr ihn an die göttliche Front, die vom Schultheiß aus dem Nachbarhaus geleitet wurde, schickte.
     
    Blettner dagegen saß mit dem Rücken an den Beichtstuhl gelehnt, hatte die Knie angezogen und fühlte, wie die Kälte der Fliesen ihm langsam den Rücken hinaufkroch.
    Aber im Gegensatz zu Gustelies und Bruder Göck langweilte er sich nicht, im Gegenteil.
    Ach was, dachte er, als Mutter Dollhaus ihre Sünden vom Stapel ließ. Noch immer denkt sie an die Wollust?
    Bei den Hafenarbeitern und Fischern Peter und Paul nahm er sich vor, ihnen in nächster Zeit genauer auf die Finger zu schauen. Was sie da beichteten, das war eindeutig eine Criminalia. Zwar hatte Heinz Pater Nau versprechen müssen, die Worte aus dem Beichtstuhl sofort wieder zu vergessen, aber Heinz war schließlich nicht nur Gott, sondern auch der Stadt verpflichtet. Die Kinnlade stand ihm offen, als er erfuhr, dass die schöne Müllerin vom Mühlenbach heimlich mit ihrem Müllersknecht ins Heu ging. Wieso das denn?, fragte sich Blettner. Ihr Mann sieht doch aus, als glühe es ihm Tag und Nacht in den Lenden. Aber nein, erfuhr er, er hatte sich geirrt. Der Müller, wie sollte man sagen, nun, er war einfach nicht Manns genug.
    Dass der Bäcker Störzer sein Brot mit Sägemehl streckte, das hatte Blettner schon lange geahnt. Jetzt hatte er es zwar aus dessen eigenem Mund gehört, aber tun konnte er nichts dagegen. Nun, vielleicht würde er es gegenüber Gustelies mal erwähnen. Damit sorgte er wenigstens dafür, dass alle braven Hausfrauen Frankfurts ab sofort das Störzer-Brot kritischer betrachteten. Doch plötzlich horchte Blettner auf. Aus dem Beichtstuhl drang Gemurmel. Er war doch tatsächlich so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie der Störzer den Beichtstuhl verlassen und ein neuer Sünder ihn betreten hatte.
    Blettner presste sein Ohr gegen die hölzerne Wand und erstarrte. Was er von drinnen hörte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren:
    «Und zu mir ist gekommen ein heimlich Wort, und mein Ohr hat ein Wörtlein davon empfangen.
    Da ich Gesichte betrachtete in der Nacht, wenn der Schlaf auf die Leute fällt,
    da kam mich Furcht und Zittern an, und alle meine Gebeine erschraken.
    Und da der Geist an mir vorüberging, standen mir die Haare zu Berge an meinem Leibe.
    Da stand ein Bild vor meinen Augen, und ich kannte seine Gestalt nicht; es war still,

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